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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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nichts mehr spüren kann, aber trotzdem – man wird ja nur einmal begraben. Ansonsten hast du den sehr schön geschnitzt, Lawrowtscherl! Ist also keine Kritik an dir und deinen handwerklichen Fähigkeiten.«
    Ihr seid schon komisch, ihr Corbulaner, mit eurem Hobby, euch in Särge zu legen, entfährt es Pitirim um ein Haar beim Anblick Derimedonts im Sarg; er kann sich die Bemerkung jedoch im letzten Moment verkneifen. Stattdessen fragt der Dondușenier Spekulant:
    »Wer ist Valea?«
    »Valea? Meine Schwester. Sie wollte unbedingt auf ihre alten Tage noch was von der Welt sehen, also habe ich den Dumitrache Ion so lange sickiert, bis er einverstanden war, die Valea mitzunehmen, nach Belgrad. So ist Valea also mit dem Ion Dumitrache und seiner Ehefrau Miorița, Valeas Enkeltochter, nach Jugoslawien gefahren, um dort mit moldawischen Wandknüpfteppichen zu handeln. Und wo die schon alle Teppiche erfolgreich realisiert und Ions 408er-Moskwitsch mit den defizitären jugoslawischen ZICO -Jeans vollgeladen hatten, ist sie gestorben, die Valea, zwischen Belgrad und Vršac. Schlaganfall. Und aus. Jetzt warte ich, dass sie von Jugoslawien zurückkommen, und bereite währenddessen alles für das Begräbnis vor«, antwortet Derimedont.
    »Mein herzliches Beileid.«
    »Danke, Pitirim.«
    »Ja, gut. Dann nehme ich den später wieder mit. Du musst mir aber noch sagen, ob der neue passt! Aber bitte rasch, Derimedont, ich muss weiter!«
    Lawrow schaut ungeduldig auf die Uhr.
    »Nie hast du Zeit für deinen Batyuschka, Lawrowtscherl!«, rügt Derimedont den Sargmacher, probiert in Eile den neu gelieferten, geräumigeren Sarg für Valea aus, zeigt sich damit sehr zufrieden, steht wieder auf und rückt sein Kamilavkion zurecht. Dann passiert alles ganz schnell:
    Lawrow nickt erleichtert, verspricht dem Protodiakon, auf dem Rückweg vorbeizukommen und den anderen Sarg abzuholen, lehnt Tutunarus Angebot entschieden ab, etwas Samagon für die Fahrt entgegenzunehmen, verabschiedet sich von Derimedont mit Handkuss und Poklon, klopft Tutunaru kameradschaftlich auf die Schulter, lässt sich vom Derimedont segnen und seinen URAL 4320 5-Tonner mit Weihwasser besprenkeln und fährt davon, Richtung Maramonovca.
    Derimedont, der Protodiakon, winkt Lawrows Lkw nach, bis er den URAL nicht mehr sehen kann, und betritt wieder die Sakristei seiner dem Heiligen Dumitru geweihten Kirche. Dort steht Tutunaru mit einem 20-Liter-Samagon-Kanister in der Hand und fragt Derimedont nach den Parastas-Kerzen und nach Nadjas Adresse.
    »Pitirim, wohl kann ich dir Parastas-Kerzen geben und dir auch erklären, wo Nadja Pilipciuc wohnt. Nur: So wie du jetzt ausschaust, kannst du nicht unter Menschen gehen«, gibt der Protodiakon zu bedenken und lächelt Tutunaru wohlwollend an.
    Tutunarus Diesel-Träume im Badeschaum
    Eine melancholische Stimmung ergreift Pitirim Tutunaru, der in Protodiakon Derimedonts Badebottich liegt: Der Spekulant erinnert sich an die langen Januartage, als er von der Dondușenier Bahnhofsbrücke aus hinunter auf die Gleise schaute und jede einzelne Bewegung auf dem schneebedeckten Bahnhofsgelände zu erfassen glaubte.
    Die stark verzweigten Schienen und Kopfgleise, an deren Endpunkten zuweilen Lokomotiven mit dem fünfzackigen roten Stern auf der Stirn unterschiedlich lange Ketten mit Güterwaggons hinter sich stehen haben. Transportwaggons mit Holz- oder Metallverkleidung, rußverschmierte, lang gezogene oder kegelförmige Eisenzisternen mit kleinen verschließbaren Luken darauf, Getreide-, Mais-, oder Zuckertransporter, offene Plattformen mit fabrikneuen KAMAS -Lastern, mit Holzladungen dazwischen und ohne, mit Landwirtschaftsmaschinen und ohne, weiße Zementwaggons, verrostete Waggons, die Kohle oder Brucheisen transportieren oder einfach nur Garnituren, die halbleer, viertelleer oder auch ganz leer auf ihren Abtransport warten, unter dem kritischen Blick von stoisch der eisigen Kälte trotzenden lokalen Krähen.
    Die leeren, zugeschneiten Gleise, die schon lange keine Lok mehr befahren hat, und die Regulierungsampel auf ihrem Metallmast, die wie ein unbewegliches Chamäleon von Zeit zu Zeit ihre Farbe wechselt.
    Der gelbe Kran, der wie eine riesige Spinne über das Schienengewirr gleitet und seine ausgefahrenen Krallen hinunterstreckt, um einen Container zu verrücken oder einem Waggon eine neue Zisterne aufzubürden.
    Der Eilzug nach Moskau und St.   Petersburg mit seinen olivgrünen Waggons, der nicht anhält. Seine Passagiere schauen

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