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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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»Minsk«-Motorrad mit Seitenwagen, an dessen Außenwand zwei 20-Liter-Samagon-Kanister jeweils links und rechts solide festgezurrt sind, streicht sich über den Schnauzbart und wirft einen flüchtigen Blick auf seine Einkaufsliste: Paprika, Gurken, Rigaer Sprotten in Tomatensauce, Kondensmilch, im Volksmund auch Vogelmilch genannt, normale Milch, Bohnen, Mehl, Grieß, Bubliki -Kringel, Zwiebeln, Pepsi-Cola, Knoblauch, Buchweizengrütze, Parastas-Kerzen, Kefir sowie Benzin, wobei Benzin zweimal unterstrichen ist. Tutunaru ignoriert die vor den jeweiligen Produkten stehenden Mengenangaben bewusst, denn er weiß: Er wird ohnehin versuchen, zuerst mindestens vierzig Liter Benzin aufzutreiben plus den Tank und den Reservetank seines Minsk-Motorrads vollzubekommen. Mit dem nach dieser Transaktion noch verbleibenden Samagon wird er die restlichen Artikel minus der Kondensmilch, die er für ein kulinarisches Hirngespinst des Ewig Hungrigen Historikers Roma Flocosu hält, besorgen. Und das in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit der Produkte und den daraus resultierenden Preisen.
    »Fertig!«, verkündet Lawrow der Sargmacher, der nach Briefbombe und Abbeizmittel duftet, richtet sich auf und deutet mit seinen schmierölverschmierten Händen auf das soeben angebrachte Abschleppseil an Tutunarus Minsk-Motorrad. Dazu sagt Lawrow väterlich:
    »Sieh zu, Bua, dass du hier hinten kein Nickerchen machst, musst dei Motorradl ja trotzdem lenken!«
    »Ist klar, Lawrow, ich will mir ja nicht an deinem Auspuff die Zähne ausschlagen.«
    Der stämmige Lawrow nickt und kommt mit einer dunkelbraunen Kernseife aus dem Fahrerhäuschen seines URAL s zurück, macht die Beine breit und rubbelt sich gleich am Straßenrand, in gebückter Haltung, das Schmieröl von den Händen, während ihm Tutunaru in regelmäßigen Abständen lauwarmes Wasser aus einer etikettlosen Plastikflasche darübergießt.
    »Und, kommst von weit her? Wann hast die Panne gehabt?«
    Jedes Mal, wenn ich Lawrow sehe, verspür ich einen latenten Luftzug des Todes, denkt sich Pitirim und antwortet:
    »Vor zwei Stunden vielleicht. Ich komme eigentlich von Dondușeni. Mir ist gleich hier an der Kreuzung der Sprit ausgegangen – wohl habe ich gehofft, mit dem Tank noch bis Corbu durchzukommen. Aber es hat nicht sollen sein. Ich hätt eigentlich auch meinen tschechoslowakischen Minibus nehmen können, der hätte noch genug Benzin im Tank gehabt, aber bei dem schönen Wetter habe ich mich dann doch für die Minsk entschieden. Du kennst ja den Spruch: ›Motorrad ist Geschwindigkeit, Romantik, Sport und Erholung!‹ Ich wusste ja nicht, dass der Tank so dermaßen ausgereizt war.«
    Der Ilytsch wird’s gewesen sein mit seinen ewigen Touren zwischen Schnapsbrennstation und Zuckerfabrik, geht Tutunaru dabei durch den Kopf. Dann sagt er:
    »Na ja, blöd gelaufen! Der Verkehr ist bei uns ohnehin sehr moderat. Und hier auf der Straße nach Corbu gar zu moderat … Da hätt ich noch eine Weile auf eine Poputka warten können, wenn du nicht vorbeigekommen wärst. Und auf dich hab ich auch geschlagene zwei Stunden warten müssen!«
    »Da hast du noch Glück gehabt, Tutunaru, dass Batyuschka Derimedont bei mir eine Bestellung aufgegeben hat, sonst wär ich nicht über Corbu gefahren«, entgegnet Lawrow, schüttelt sich ein paarmal die Hände aus, wischt sie sich im Gehen an seiner dunklen Trainingshose ab und steigt zurück ins Fahrerhäuschen seines URAL- Lkws. All das macht er mit der Bestimmtheit eines tüchtigen Menschen, der nicht gerne Zeit verschwendet, bevor sein Tagwerk verrichtet ist. Tutunaru will Lawrow noch eine Frage nachrufen, doch der Dondușenier Spekulant hat gerade mal noch Zeit, um auf sein Motorrad aufzuspringen und einen Gang einzulegen, als der Motor von Lawrows URAL 4320 schon aufbrüllt und sich in Bewegung setzt. Das Abschleppseil strafft sich sofort und zieht das Minsk-Motorrad samt Tutunaru darauf mit einem beherzten Ruck mit sich. Der Lkw-Auspuff vibriert und hustet dem Spekulanten eine weiße Abgaswolke vor die Windschutzscheibe, während sich Tutunaru fragt, für wen Derimedont wohl einen Sarg bei Lawrow bestellt haben mag.
    Es trifft sich gut, dass ich ohnehin vorhatte, beim Protodiakon Derimedont Parastas-Kerzen zu holen, da kann mir der Batyuschka bestimmt was dazu sagen, denkt sich Pitirim Tutunaru, richtet sich ein wenig von seinem Sitz auf, zählt die Särge auf der Ladefläche von Lawrows Lkw – es sind ganze sieben Stück –, setzt sich wieder hin,

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