Zuckerleben: Roman (German Edition)
gerade noch zu sehen war, wackelt nun das Bügeleisen in der Bildröhre des Wasserfall-2-Fernsehers.
Einen Augenblick lang absolute Stille.
Rappel – rappel – rappel.
Rapppppppel.
»Ich hab keine Lust mehr. Der Gefleckte hat mir die Lust geraubt, der G’schissene«, stellt Mischa wie für sich selbst fest, zieht sich aus der Italienischlehrerin zurück, lässt von ihr ab und zerrt sich die Militärhose wieder hoch.
Als Nadja Pilipciuc spürt, dass Mischa sie nicht mehr auf das Bügelbrett drückt, richtet sie sich vorsichtig wieder auf. Und will sich gerade das Höschen wieder hochziehen. Der Stabswachtmeister packt die Italienischlehrerin jedoch sofort am Nacken und drückt sie sanft, aber bestimmt, zurück auf das Bügelbrett. Mit der linken Plüsch-Hauslatsche schiebt der Unteroffizier der Italienischlehrerin zudem das Höschen wieder auf den Fußboden.
»Wo ist der Samagon, Nadjuscha?«, flüstert Mischa der Stabswachtmeister ihr zärtlich ins Ohr.
Nadja schweigt.
Mischa wiederholt seine Frage, bleibt bei dem zärtlichen Ton und mit seiner Plüsch-Hauslatsche auf Nadjas Höschen.
Es folgt keine Antwort.
» Kein Samagon für mich also«, schlussfolgert Mischa mit einer unendlichen Trauer in seiner Stimme.
Die Italienischlehrerin bleibt ruhig in ihrer Position liegen, auf dem Bügelbrett. Und bereitet sich innerlich auf das vor, was ihr nun bevorsteht.
Mischa der Stabswachtmeister zieht seine Hand von Nadjas Nacken wieder ab. Sie wagt es nicht, sich vom Fleck zu bewegen. Nadja versucht stattdessen, auf den Stabswachtmeister einzureden, sagt ihm mit sanfter Stimme, dass sie es nur gut gemeint hätte mit ihm, dass ihn der Samagon zugrunde richten würde. Dass sie ihm deswegen keinen Samagon gekauft hätte.
Mischa schweigt.
Kurz darauf verspürt das Mädchen den ersten Schlag.
Klatsch!
Und verschließt die Augen.
Klaaatsch !
Klatsch – Klaatsch!
Wieder und immer wieder schnellt der breite sowjetische Armeegürtel des Stabswachtmeisters mit einem satten Schnalzer auf den Hintern der Italienischlehrerin herunter.
Klatsch – Klatsch!
Klaaaatsch!
Nadja schluchzt leise.
Sie tröstet sich mit dem Gedanken, dass Mischa eigentlich viel härter zuschlagen könnte und dass der Unteroffizier sie jetzt lediglich aus Gewohnheit schlägt, weil er sie immer schlägt, wenn sie ihm keinen Samagon mitbringt.
Als dem moldawischen Mädchen gerade diese Gedanken durch den Kopf gehen, holt der hochdekorierte Fallschirmjäger weit aus und lässt seinen Armeegürtel mit herzhafter Wucht, jedoch gleichzeitig mit der Eleganz und der Zielgenauigkeit eines Tennisprofis, der einen erstklassigen Rückhandvolley schlägt, auf Nadjas rechte Pobacke schnellen, und zwar genau dort, wo er zuvor seine Blutgruppe mit der Nadel seiner Afghanistan-Medaille eingeritzt hat.
Das Leder des sowjetischen Armeegurtes scheuert prompt mit seinem epischen KLAAATSCH! über die angedachte Stelle, die sich sofort rot verfärbt.
Das Mädchen jauchzt vor Schmerz auf, verzieht dabei ihr hübsches Gesicht, drückt ihren Oberkörper stärker gegen das Bügelbrett, als wollte sie sich darin vor einem weiteren Schlag Mischas in Schutz bringen. Dabei bricht das Brett unter dem Gewicht der Italienischlehrerin auseinander, und beide, das Brett und Nadja Pilipciuc, krachen zusammen auf den Fußboden.
Stille.
Stabswachtmeister Mischa bewegt sich nicht. Mit seinem Armeegurt in der Hand sieht er besorgt auf Nadja Pilipciuc herab, ohne etwas zu unternehmen.
Das moldawische Mädchen richtet sich wieder auf, zieht sich endlich das Höschen hoch, bringt ihren Rock wieder in Ordnung und geht, ohne den Stabswachtmeister auch eines einzigen Blickes zu würdigen, Richtung Badezimmer.
Mischa hindert Nadja diesmal nicht daran, ihrer Wege zu gehen, schnallt sich stattdessen den Armeegurt wieder um und lässt sich auf einen Stuhl fallen.
Nadja Pilipciuc betrachtet ihr verweintes Gesicht im Badezimmerspiegel, schaut dann auf das Messer, das sie aus der Küche geholt hat und das noch immer nach dem Knoblauch riecht, den sie damit vorhin geschnitten hat: betrachtet nachdenklich die Venen ihrer linken Hand. Lässt das Messer darübergleiten, ohne es jedoch in die Haut zu drücken. Wäscht sich und lässt sich lange Zeit kaltes Wasser über das Gesicht laufen. Und dann dreht sie sich um, Richtung Mischa, den sie vom Bad aus sehen kann, wie er dort, den Rücken ihr zugewandt, auf einem Stuhl sitzt. Sie macht einen Schritt nach vorn, bleibt in der offenen
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