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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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Scharfschütze noch dazu, erst recht. Und er verbindet seine Lebensphilosophie mit Tuborg …«
    »Wie das?«
    »Weißt du, was dir Vytautas sagen würde, wenn du ihn fragst, was für ihn das Leben ist? Vytautas würde dir sagen«, Mihailytsch hüstelt einmal, dann erneut, um seine Stimmbänder vorzubereiten, und imitiert Vytautas weichen litauischen Akzent:
    »›Das Leben eines Scharfschützen, lieber Gawril, ist ein einsamer Marsch – mal in sengender Hitze, mal in eisiger Kälte. Oft führt dieser Weg einfach ins Nirgendwo. Und irgendwo auf dem Weg dorthin lauert auf uns der Tod. Wenn du dir das in Erinnerung rufst, dann erscheint dir alles sinnlos und nichtig. Und dann erreicht dich die Erkenntnis: TUBORG . Sei auf alles gefasst.‹«
    Mihailytsch schmunzelt, während Salven an befreitem Gelächter aus Gawrils Bronchien herausbrechen. Tränen schießen Gawril in die Augen. Speichelspritzer in der Luft. Der gesamte Körper Gawrils bebt, und der Roma muss seinen Hut festhalten, damit dieser nicht herunterfällt.
    »Drum Tuborg, ja?«, hakt Gawril nach, nachdem er sich ein wenig beruhigt hat.
    »Drum Tuborg, ja. Ist ihm halt wichtig. Steht auch so in seinem Vertrag drinnen: Pro Woche Dienst bekommt Vytautas zwei Kisten Tuborg. Der Bulibascha importiert es extra für ihn aus Dänemark. Der mag den Vytautas halt. Und der Junge ist auch ein Spitzenscharfschütze, wenn du mich fragst«, Mihailytsch macht eine vielbedeutende Pause, blickt demonstrativ auf seine sowjetische Wostok-Kommandantenuhr, klopft mit dem Zeigefinger auf das verglaste Ziffernblatt und holt tief Luft.
    »So, Gawriluschka. Genug gequatscht. Lass uns also den Bulibascha sprechen. Weil. Ich muss nämlich weiter nach Lwow. Meine Frau ist dort im Sanatorium, ihr geht es nicht gut.«
    »Es tut mir ja leid, das zu hören, Mihailytsch, aber der Bulibascha schaut sich grad dem Kaspirowskij seine Séance im Fernsehen an, und da sollte man ihn nicht stören. Das weißt du doch … Ach komm, Mihailytsch, jetzt mach doch nicht so ein Gesicht, als würde man dir die Haut bei lebendigem Leib abziehen.«
    »Gawril, meine Frau liegt im Sanatorium in Lwow, ich muss zu ihr! Verstehst du das oder verstehst du das nicht?! Ich komm auf der Rückfahrt noch mal vorbei. Den Fisch übergibst du bitte dem Bulibascha, sobald der wieder einigermaßen gefroren ist.«
    »Geht’s ihr sehr schlecht?«
    »Ich fürchte, es geht ihr nicht allzu gut, ja. Deswegen würd ich ja jetzt gern weiterfahren, nach Lwow …«
    »Na, Mihailytsch, das geht nicht. Du musst dich bitte noch ein wenig’s gedulden, der Bulibascha hat extra darauf bestanden … Und, er hat ein Geschenk für dich! Bist du denn nicht neugierig zu erfahren, was es ist?«
    Mihailytsch wirft Gawril einen gequälten Blick zu, der in etwa als »Mir ist nicht nach Geschenken zumute, Arschloch!« gedeutet werden könnte, sagt aber nichts.
    »Außerdem: Kaspirowskijs Session hat bereits angefangen, in zwanzig, dreißig Minuten ist sie aus, und da kannst du zum Bulibascha«, sagt Gawril und wirft Mihailytsch seinen linken Arm um die Schultern. Das intensive Odeur des ›Nina-Ricci‹-Duftes, mit dem Gawril seine Brust großzügig eingerieben hat, drischt auf Mihailytschs Schädel ein wie eine unsichtbare Keule.
    »Wie wärs, wenn du dir in der Zwischenzeit auch den Kaspirowskij anschaust? Hier hinten, im Aufenthaltsraum der Wachbereitschaft. Seine Hypnose wird dich bestimmt beruhigen! Na, wär das nix, Mihailytsch?«
    Kaspirowskij
    Das Licht im Aufenthaltsraum der Wachbereitschaft ist gedimmt. Außer Mihailytsch befinden sich im Raum noch eine energisch Kaugummi kauende Roma-Babuschka in weiten Blümchenröcken und einem Münzen-Collier aus silbernen 5-Rubel-Stücken mit Lenins Profil darauf sowie ein mediterran gebräunter Schönling mit einem präzise frisierten dünnen Oberlippenbart, Pferdeschwanz, gekleidet in einen Galliani-Trainingsanzug, komplett in weiß. Dazu trägt der Sowjetbürger weiße Tennissocken, die über die Hosenbeine gestülpt sind, elegante weiße italienische Lackschuhe mit gespitzter Nase und in seinen Pistolenhalftern aus weißem Leder zwei blank polierte Desert Eagle 9   mm, ihr Griff aus strahlend weißer nigerianischer Elfenbeinfassung gefertigt: Nichifor Ghirici, genannt »der Reine«, ebenfalls ein Roma aus Otaci.
    Nichifor hat vor sich auf dem Tisch zwei Stapel Geldscheine liegen: links US -Dollar und rechts D -Mark. Nichifor der Reine sortiert die Scheine nach Denomination, fasst sie zu 10

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