Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin
merkte, dass sie sich freute, dass ich zu ihr nach London gekommen war.
Sie bat mich, Kümmelkörner aus der Apotheke mitzubringen und beim ersten Milchmädchen, das mir begegnete, ein wenig frische Milch zu kaufen, und ich machte mich auf den Weg.
Ich brauchte lange, um zum Silbernen Globus zu gelangen, denn unterwegs gab es viel zu sehen. Die kleinen Geschäfte neben dem unseren, sechs hintereinander, verkauften: das erste Pergament zum Schreiben, das zweite Knöpfe, das dritte Handschuhe, das vierte Bücher, das fünfte Schreibfedern und das sechste Strumpfwaren, und ich fand es nötig, einen Blick in jeden einzelnen Laden zu werfen. Ein wenig weiter stand ein heruntergekommenes Gasthaus namens Das große Schiff , daneben der Laden eines Barbier-Wundarztes, dann kamen ein paar schäbige, düstere Gassen und eine Reihe niedriger Häuser mit gewundenen Schornsteinen, gefolgt von einer weiteren Reihe Geschäfte. Vor einigen der Häuser saßen Frauen und hielten ein Schwätzchen miteinander oder nähten, während zu ihren Füßen Kinder mit Puppen spielten, mit Stäben Bilder in den Staub malten oder ihre Hunde und Katzen neckten. Hühner pickten zwischen den Pflastersteinen, und hier und da trieben sich Schweine oder Ziegen auf Futtersuche herum.
Das Geschäft Der silberne Globus war groß und geräumig und hatte Butzenscheiben aus Glas. Innen wurde es von Kerzen beleuchtet, und die Regale waren mit allerlei faszinierenden Dingen beladen. An einer Wand befanden sich seltsam geformte Wurzeln und getrocknete Gräser, Körbe mit Kräutern, ein riesenhaftes Ei - bestimmt das eines Drachen? - und Körbe voll getrockneter Substanzen und aufgeschichteter Baumrinde. An einer anderen Wand standen Glasfläschchen mit verschiedenfarbigen Pulvern aufgereiht, und es gab ein ganzes Regalbrett mit alten Bänden und vergilbten Papieren, ebenso wie einen Schrank mit bauchigen Gefäßen voll farbigem und destilliertem Wasser, die in einer fremden Sprache beschriftet waren. Ich hielt es für Latein und konnte kein einziges Wort entziffern, denn Latein war etwas, das Männern von Stand vorbehalten war, und in unserer kleinen Dorfschule lernte man mit Müh und Not in der eigenen Sprache lesen und schreiben.
Ich war ziemlich aufgeregt, als ich das Geschäft betrat, weil ich gehört hatte, dass Apotheker oft unheimliche, mächtige Leute sind, und ich war darauf gefasst, einem Mann mit einem Tierschädel und einem mit Himmelszeichen bedeckten schwarzen Umhang zu begegnen. Doch der junge Mann, der hinter der Theke Pulver abwog, ließ nichts von alledem erkennen. Stattdessen hatte er ein angenehmes, frisch rasiertes Gesicht und sehr dunkle Augen. Mit seiner Kniehose aus Serge, dem weißen Leinenhemd und der schwarzen Weste war er sehr anständig gekleidet.
»Guten Morgen, Madam«, sagte er mit einem freundlichen Lächeln, das seine ebenmäßigen weißen Zähne sehen ließ.
»Seid Ihr der Apotheker Doktor da Silva?«, fragte ich schüchtern.
»Ganz bestimmt nicht!«, antwortete er lachend, und ich fühlte, wie ich errötete. »Und wenn Ihr ihn kennen würdet, hättet Ihr uns bestimmt nicht miteinander verwechselt.«
»Ist er denn da?«, fragte ich und fühlte mich wie ein Schaf, denn nachdem sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, konnte ich erkennen, dass dieser Bursche höchstens ein oder zwei Jahre älter war als ich.
»Nein«, antwortete der Junge. »Aber wenn Ihr die Güte hättet, mir zu sagen, was Ihr benötigt, könnte ich Euch vielleicht behilflich sein.«
Jetzt saß ich in der Klemme. Es war mir zu peinlich, solch einen netten, gut aussehenden jungen Mann nach einem Mittel gegen Sommersprossen zu fragen, also bat ich ihn nur um Kümmelkörner. Während er sie abwog, fragte er, ob ich neu in der Gegend sei, und ich bejahte. Ich nannte ihm meinen Namen und erzählte ihm, dass ich gekommen sei, um Sarah in ihrem Laden zu helfen.
Er sagte, er heiße Tom und er kenne unser Geschäft. »Und Ihr seid bestimmt ein großer Gewinn für den Laden«, fügte er hinzu, so dass ich wieder errötete. »Obwohl es ein Jammer ist, dass Ihr gerade jetzt nach London gekommen seid.«
Ich zögerte. »Sprecht Ihr... von der Pest?«
Er nickte ernst. »Die Liste für die letzte Woche ist gerade veröffentlicht worden, und die Zahlen für St. Giles haben sich verdoppelt.«
»Aber in dieser Gemeinde hat es keine Toten gegeben?«
Er schüttelte den Kopf. »Keine Toten. Aber der Doktor hat von ein paar Fällen in Lincoln's Inn Fields
Weitere Kostenlose Bücher