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Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin

Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin

Titel: Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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wurde, und der hintere, in dem Sarah und jetzt auch ich lebten. Über uns lagen zwei weitere Räume. Sarah erzählte mir, dass dort bis vor kurzem eine Familie gewohnt hatte, doch jetzt wurden sie nur von einem Seiler als Lager benutzt. In unserem eigenen Wohnraum standen ein kleiner Tisch und Stühle, eine Kommode für unsere Habseligkeiten sowie ein Eisenbett, das Sarah und ich uns teilten. Ich hatte sie gebeten, mich auf der Fensterseite schlafen zu lassen, denn von dort aus konnte ich den duftenden Rosmarinstrauch draußen riechen, der mich an den vor der Hintertür unseres Häuschens in Chertsey erinnerte. Darum hatte ich sie nicht gebeten, weil ich Heimweh hatte, sondern weil London so schlecht roch und, selbst wenn die Sonne schien, so verraucht, schmutzig und grau war, dass ich manchmal unwillkürlich an unser hübsches Häuschen mit dem Strohdach und der von Rosen und süß duftendem Geißblatt umrankten Tür denken musste. Neben unserem Haus stand die alte Scheune, in der Vater Sprossen und Speichen für sein Wagenbauergeschäft herstellte. Im Garten hatten wir unzählige Gemüsebeete in ordentlichen Reihen - so viele, dass wir immer einen Teil unserer Ernte auf dem Markt verkaufen konnten - und Apfelbäume, die jeden Oktober übervoll mit Früchten waren. Etwas weiter weg lagen die Dorfwiese, auf der das Vieh friedlich um den Teich graste, das Herrenhaus, das Gasthaus und die Kirche. Chertsey war eine ganze Welt in Miniatur, wie Mutter zu sagen pflegte, und sie sah keinen Anlass, warum einer von uns den Wunsch haben sollte, nach London zu ziehen.
    An diesem Tag bereiteten Sarah und ich kandierte Rosenblüten zu, daher waren wir morgens um vier Uhr aufgestanden, um auf den Markt zu gehen. Ich war bereits recht munter gewesen, denn ich hatte den ersten fröhlichen Ruf des Nachtwächters gehört: »Gott schenke Ihnen einen guten Morgen, meine Herrschaften! Es ist vier Uhr früh und ein schöner Tag.« Mehr Ermunterung brauchte ich nicht, um aus dem Bett zu hüpfen.
    Wir waren auf den Blumenmarkt in Cheapside gegangen, um rosa und rote Rosen zu kaufen, und Sarah hatte je sechs vollkommene Blüten erstanden, die sie zuvor sorgfältig auf die geringsten Anzeichen von Alter, Druckstellen oder Blattläusen untersucht hatte.
    »Schau gut hin, worauf ich achte, Hannah, denn bald werde ich dich allein auf den Markt schicken«, sagte sie.
    Natürlich hatte ich sie genau beobachtet, doch ich hatte auch die kichernden Mädchen im Auge behalten, die Arme voll Blumen kauften, um die herrschaftlichen Häuser damit zu schmücken: Rittersporn, Lupinen, feuerrote Rosen und alabasterfarbene Lilien. Wieder hatte ich nach Abigail Ausschau gehalten, doch ohne Erfolg. Ich hatte mir angesehen, was die Mägde trugen und wie sie sich benahmen, und beneidete sie um ihr Selbstvertrauen und ihre Art, mit den Lehrjungen auf dem Markt Blicke und Scherze auszutauschen. Mir fiel auf, dass einer oder zwei Jungen in meine Richtung guckten, aber ich senkte den Blick, weil ich meine Sommersprossen los sein wollte, ehe ich mit jemandem sprach. Ich hatte die Bänder meiner Haube gelöst, so dass sie mein Gesicht umrahmten, damit wenigstens ein Teil von mir mit der Mode ging, denn mein so genanntes bestes Kleid aus einfachem braunem Leinen war recht langweilig und hässlich. Sarah hatte mir versprochen, mit mir auf den Kleidermarkt in Houndsditch zu gehen, um mir ein neues zu kaufen, sobald wir ein wenig Zeit hätten. Ich würde Kleidung bekommen, die weniger als ein Jahr alt war, erzählte sie mir, da angeblich die vornehmen Damen -die lieber tot wären als unmodisch - losstürzten und die neueste Mode bestellten, sobald diese aus Frankreich herübergeschwappt war. Dann schickten sie ihre Bediensteten mit der Kleidung der letzten Saison auf den Markt, um sie zu verkaufen.
    Im Laden zerstieß ich weiter den Zucker, wechselte die Hand und versuchte, meinen linken Arm ebenso stark zu beanspruchen wie den rechten, bis Sarah schließlich sagte, er sei fein genug.
    »Und jetzt sieh mir zu«, sagte sie und nahm ein scharfes Messer, trennte den Kopf der rötesten, vollsten Rose ab, zerteilte die Blütenblätter sorgfältig und schnitt jedes bisschen Weiß (das, wie sie erklärte, bitter schmecken konnte) vom Blütenansatz ab.
    Sie bat mich, die Blütenblätter nebeneinander auf ein weißes Blatt Papier in einer großen flachen Schachtel zu legen, wobei ich sie möglichst wenig berühren sollte. Dasselbe Los ereilte fünf weitere Rosen, bis all ihre

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