Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin
von den Stehplätzen, wenn dem Publikum die Aufführung nicht gefiel, und wie die hohen Damen und Herren wie Pfauen darum wetteiferten, einander mit ihrer farbenfrohen Kleidung auszustechen. Jetzt würde ich also warten müssen, bis der Schrecken vorüber war, ehe ich mir das alles ansehen konnte.
Nur Gott wusste, wann das sein würde, denn als am darauf folgenden Donnerstag die Totenliste veröffentlicht wurde, stellte sich heraus, dass es in London in dieser Woche hundert Pesttote gegeben hatte. Und angesichts dieser Zahl wurde offiziell der Ausbruch der Pest verkündet.
An diesem Nachmittag schickte mich Sarah zum Wasserholen. Sie gab mir so lange frei, wie ich wollte, und sagte, ich solle es als einen Ausflug betrachten. Wir waren am Abend zuvor lange aufgeblieben und hatten bei Kerzenschein eine große Menge Mandeln blanchiert und zu einem feinen Pulver gemahlen, und sie hatte gesagt, dass ich sehr gut gearbeitet hätte und sie sich nicht mehr vorstellen könne, wie sie es jemals ohne mich geschafft hatte. Bei der Arbeit hatten wir über die Pest gesprochen und uns überlegt, dass es vielleicht nicht so schlimm kommen würde, wie die Leute fürchteten. Jedenfalls konnte Sarah mich nicht nach Chertsey zurückschicken, denn, wie uns unser Nachbar vom Pergamentgeschäft mitgeteilt hatte, war der Reiseverkehr aus London von den Friedensrichtern stark eingeschränkt worden, aus Angst davor, dass sich die Pest auch in der Provinz verbreitete. Dieser Nachbar, Mr. Newbery - ein kleiner, untersetzter Mann mit einem fröhlichen Lächeln, der schaurige Klatschgeschichten über alles liebte -, hatte ebenfalls gesagt, dass es so oder so wenig Hoffnung gab, der Pest zu entkommen, denn wenn einen der Sensenmann auserkoren habe, würde er einfach mit seiner Sense kommen und einen niedermähen.
Ich holte mein Wasser am Bell Courtyard. Obwohl es Wasserstellen gab, die weniger weit entfernt lagen, mochte ich diese besonders gern, weil es so ein schöner gepflasterter Platz mit Bäumen und Sitzbänken war und viele Mägde und Lehrjungen aus den umliegenden Häusern dorthin gingen. Außerdem kam das Wasser aus dem New River und galt als sehr sauber.
Die Schlange an der Wasserstelle war ziemlich lang, also stellte ich meinen Eimer und meinen Emaillekrug ab und wartete geduldig. Dabei betrachtete ich die Kleidung der anderen (alle waren besser gekleidet als ich) und fragte mich, wann Sarah Zeit finden würde, mit mir zum Kleidermarkt zu gehen.
Während ich wartete und amüsiert einem Straßenhändler mit einem Affen auf der Schulter zusah, der Mäusefallen verkaufte, ertönte auf einmal weiter vorn in der Schlange Gelächter und jemand winkte mir wie verrückt zu.
»Hannah!«, rief eine Mädchenstimme. Zu meiner großen Freude sah ich, dass es meine Freundin Abigail Palmer von zu Hause war.
»Bei diesem Haar war keine Verwechslung möglich!«, sagte sie, kam zu mir und umarmte mich.
»Da hast du Recht!«, antwortete ich, denn obwohl ich mir einen Bleikamm gekauft hatte und mein Haar morgens und abends damit kämmte, sah es nicht so aus, als ob meine Locken davon dunkler würden. Auch meine Sommersprossen waren noch ebenso auffällig und schienen sich - als Folge der vielen sonnigen Tage - nun auf meiner Nase und meinen Wangen gegenseitig verdrängen zu wollen.
Abigail hatte zugenommen, was ihr gut stand. Mit ihren lockigen dunklen Haaren, die einen Kupferton hatten, ihren dunkelbraunen Augen und dem geschwungenen Mund war sie sehr hübsch. Sie trug ein schwarzes Barchentkleid, das vorne offen war, so dass man ihren spitzenbesetzten weißen Unterrock sehen konnte, und sah sehr gepflegt und reizend aus.
»Wie lange bist du schon in London?«, fragte sie.
Ich erzählte es ihr und sagte ihr auch, wo ich wohnte. »Und hast du noch immer dieselbe Stellung?«, fragte ich.
»Ja, bei Mr. und Mrs. Beauchurch.«
Als sie weitersprechen wollte, wurde sie von einem Ruf von vorne aus der Reihe unterbrochen: »Magd, kommst du und nimmst deinen Platz wieder ein?«
Abigail winkte ab. »Nein, rückt alle eins weiter vor«, sagte sie. »Ich warte hier mit meiner Freundin.«
»Und ihr werdet einen schönen Anblick bieten«, gab der Jüngling zurück. »Zwei hübsche Mädchen beisammen!«
Der Rest der Schlange lachte, denn kürzlich war ein gleichnamiges Musikstück in einem der Schauspielhäuser aufgeführt worden.
Abigail warf dem, der gesprochen hatte, eine Kusshand zu und hakte sich bei mir ein. »Und jetzt, Hannah, erzählst du mir
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