Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin
alles, was es in Chertsey an Neuigkeiten gibt, denn seit ich hierher gekommen bin, habe ich, so wahr ich hier stehe, von meiner Mutter und meinen Geschwistern kein bisschen Klatsch vernommen.«
Nach einer Stunde hatten Abby - unter diesem Namen war sie in London bekannt - und ich uns alles haarfein berichtet, was uns im letzten Jahr widerfahren war. Ich hatte ihr von dem bisschen erzählt, was in Chertsey passiert war, sowie von Sarahs Geschäft und Nelly Gwyn, die gekommen war, um Zuckerwerk zu kaufen. Und ich hatte ihr von Tom erzählt, obwohl es sehr wenig zu erzählen gab, aber Abby hatte selbst einen Liebsten und ich wollte ihr in nichts nachstehen.
Wir kamen auch auf die Pest zu sprechen, und sie sagte, dass ihre Herrschaften wohl schon die Stadt verlassen hätten, wenn Mrs. Beauchurch nicht vor acht Wochen eine Tochter bekommen hätte und am Kindbettfieber erkrankt wäre, so dass sie nicht in der Lage war zu reisen.
»Glaubst du, dass die Pest wirklich schlimm wird?«, fragte ich sie.
Sie zuckte die Achseln. »Man sagt, dass sie alle zwanzig Jahre schlimm ist. Und ich habe selbst ein paar Vorzeichen gesehen.«
»Welche denn?«
»Ich habe den Engel mit dem Schwert in den Wolken gesehen«, sagte sie und runzelte die Stirn. »Zumindest behaupten die Leute, dass es einer war, denn ehrlich gesagt konnte ich überhaupt nichts in den Wolken erkennen. Aber ich habe etwas anderes gesehen - Kinder, die Beerdigung spielen. Anscheinend spielen sie es in ganz London.«
»Das habe ich auch gesehen!«
»Mr. Beauchurch meint, dass Kinder Dinge vorhersehen, weil sie der Natur näher sind. Sie können die Zukunft vorhersagen.«
Ich schauderte. »Gebe Gott, dass dem nicht so ist.«
Abby kniff mich in den Arm. »Selbst wenn die Pest kommt, du und ich, wir sind vom Lande, kerngesund und so zählebig wie Schaben. Wir haben nichts zu befürchten!«
An diesem Abend blieben Sarah und ich lange auf und knackten und häuteten noch mehr Mandeln, und ich erzählte ihr alles von Abby. Bis wir im Bett lagen, war es Mitternacht, so lange war ich in meinem ganzen Leben noch nicht aufgeblieben. Kurz bevor wir einschliefen, hörten wir den Nachtwächter, der seine Runden drehte:
»Zwölf Uhr in der Nacht
Gebt gut auf Schloss und Feuer Acht
Und nun gute Nacht.«
Die letzte Juniwoche
»Heute habe ich, sehr gegen meinen Willen, in Drury Lane zwei oder drei Häuser mit einem roten Kreuz an der Tür gesehen, und >Gott erbarme sich unser< stand dazugeschrieben...«
Das Kleid, das die alte Marktfrau hochhielt, war aus blassgrünem Taft. Es hatte lange Ärmel und einen runden Ausschnitt; das Mieder war mit Fischbeinstäbchen und auf der Vorderseite von oben bis unten mit kleinen Biesen versehen und lief in der Mitte spitz zusammen. Der Plisseerock war vorne offen, so dass man darunter ein dunkelgrünes Seidenfutter und einen passenden gerüschten Unterrock sah.
»Oh, dieses möchte ich!«, sagte ich, nahm es ihr ab und hielt es mir an. Ich sah meine Schwester flehentlich an. »Bitte, Sarah!«
Es war Sonntagmorgen und Sarah und ich waren bereits über den ganzen Houndsditch Market gegangen, wo wir den Rock und die Bluse der Vikarstochter sowie mein eigenes langweiliges braunes Kleid mit Leichtigkeit losgeworden waren. Von dem Geld, das wir dafür bekommen hatten, hatte ich mir ein dunkelblaues Kambrikkleid gekauft, und Sarah hatte angeboten, mir meinen Lohn vorzuschießen, damit ich noch eines haben könnte.
»In meinen Kleidern steckt ganz bestimmt kein Ungeziefer«, sagte uns die zahnlose Händlerin. »Die ses sehr elegante Kleid hat einmal einer Gräfin gehört.«
Sarah schenkte ihren Worten keine Beachtung. Ich hingegen war durchaus gewillt, ihr zu glauben, denn mir gefiel die Vorstellung, ein Kleid zu tragen, das einmal einer Adligen gehört hatte.
»Es ist ziemlich vornehm, aber es steht dir gut«, sagte Sarah. »Das Grün passt gut zu deiner Haarfarbe und deiner Haut.«
»Aber es macht mein Haar nicht noch röter, oder?«, fragte ich besorgt, und Sarah versicherte mir, dass dem nicht so sei.
»Dieses Kleid ist erst zwei Saisons alt«, fuhr die Frau fort, »die Gräfin bringt mir alle ihre Kleider zum Verkaufen.«
»Was habt Ihr denn noch, das ihr gehört hat?«, fragte ich.
Die Frau zögerte und zog dann ein rosa Samtcape mit einem Futter aus schwarzer Seide und passendem Samthut mit geschwungenen rosa Federn aus einem alten Schrankkoffer hinter ihrem Stand.
Es verschlug mir den Atem. »Oh!«, keuchte
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