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Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin

Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin

Titel: Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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und zog weiter, um die Verordnungen zu lesen. Diese bestanden nur aus einer Reihe von Regeln und Anweisungen zur Vermeidung weiterer Ansteckungsgefahr. Sie beinhalteten Richtlinien zu Arzneimitteln, die zur Bekämpfung der Krankheit verschrieben werden sollten - unterschiedliche, je nachdem, ob man reich oder arm war -, das Verbot jeglicher unnötiger Menschenansammlung und eine Verordnung, die es Bettlern untersagte, von einer Gemeinde zur nächsten zu ziehen, damit sie die Krankheit nicht weiter verbreiteten.
    Eine Reihe von Leuten stand um das Plakat herum, und da sie selbst nicht lesen konnten, baten mich viele von ihnen, den Inhalt laut vorzutragen. Ich musste dies mehrere Male tun, weil immer mehr Menschen kamen, und zum Schluss kannte ich den Wortlaut beinahe auswendig. Beim Lesen der Verordnungen fiel mir auf, dass sich die Umstehenden offenbar nicht allzu viele Sorgen darüber machten. Sie gaben frohgelaunte Kommentare über den Inhalt ab, lachten und spotteten, dass es nun mehr Arbeit für Sargbauer gebe, die sich am Tod bereichern, und bezeichneten Ärzte und Apotheker als Quacksalber und Scharlatane.
    »Sie bringen einen ebenso gerne um, wie sie einen heilen - schließlich werden sie ja so oder so bezahlt«, sagte eine Frau vergnügt zu mir, und wieder einmal konnte ich mich nicht dazu durchringen zu glauben, dass diese Verordnungen - diese Pest - besonders ernst zu nehmen seien. Die Sonne schien, es war ein herrlicher Tag, und die Leute um mich herum waren freundlich und guten Mutes. Vielleicht hatten sich die Behörden ja nur von ein paar Todesfällen verrückt machen lassen.
    Auf dem Nachhauseweg gab es für mich jedoch einigen Anlass, meine Meinung zu ändern, denn ich stolperte unversehens mitten ins Herz des gefürchteten Pestlandes. Ich hatte beschlossen einen Umweg zu machen, um am Laden von Doktor da Silva vorbeizukommen und merkte plötzlich, dass ich mich der Gemeinde von St. Giles näherte. Sarah hatte mir erzählt, dass die Gegend verrufen sei und dass viele Landstreicher und Arme sich in diesem Elendsviertel niedergelassen hätten. Weil es aber hell war und geschäftiges Treiben in den Straßen herrschte, machte es mir nichts aus, den Bezirk zu betreten. Doch als ich weiter in die armseligen, schäbigen Straßen vordrang, beschlich mich nach und nach großes Unbehagen, denn manche Gassen waren ausgestorben und die Geschäfte geschlossen, wie an einem Feiertag. Ich eilte weiter, und obwohl ich den Weg nie zuvor gegangen war, konnte ich, weil ich vom Lande kam, am Stand der Sonne sehen, dass ich in die richtige Richtung ging.
    Nach einer Weile gelangte ich zur Cock and Ball Alley und wollte nach links einbiegen. Doch ein Mann, der beim ersten Haus herumstand, hob die Hand und versperrte mir den Weg. Der schmutzige, hässlich aussehende Kerl, der ein rotes, verschwitztes Gesicht hatte und dem einige Vorderzähne fehlten, hielt eine scharfe Hellebarde hoch.
    »Ich muss hier durch«, sagte ich einigermaßen ängstlich.
    »Nein, musst du nicht«, entgegnete er und wies auf die Tür des Hauses hinter ihm.
    Es war eine derbe Tür aus Eichenholz, über und über mit kräftigen Ketten und Schlössern versehen. Als ich sie anschaute, stockte mir das Herz, denn es waren ein riesiges rotes Kreuz und der Spruch GOTT ERBARME SICH UNSER darauf gemalt.
    Ich rang nach Atem und der Magen drehte sich mir um. Ich wusste natürlich schon, was diese Zeichen bedeuteten, doch der hässliche Bursche ließ es sich nicht nehmen, eine Erklärung abzugeben. »Vier Pesttote hier drinnen und der Rest für vierzig Tage eingesperrt!«, sagte er. »Und die Cock and Ball Alley weiter runter sind noch zwei Häuser abgeschlossen«, fügte er hinzu und wies mit seiner Hellebarde in die entsprechende Richtung.
    Ich starrte auf das Haus vor mir. Im zweiten Stock stand ein kleines Fenster offen, aber alle anderen Fensterläden waren geschlossen, und es gab kein Anzeichen von Leben.
    »Aber... wie ernähren sie sich denn? Wer kauft für sie ein?«, fragte ich.
    »Ich mach ihre Besorgungen«, sagte der Bursche, »und kauf ihnen Milch und Brot.«
    »Aber wie kommen sie damit zurecht, die ganze Zeit eingesperrt zu sein? Was ist, wenn sie an die frische Luft wollen?«
    »Sie kriegen keine frische Luft, das ist alles«, sagte er. »Diese Tür geht nur auf, wenn Leichen rausgetragen werden.« Er kratzte sich am Kopf, und ich sah etwas - irgendein kleines Insekt - auf seiner fettigen Kopfhaut entlangflitzen. »Vier Tote bisher, und noch

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