Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin
und Straßenhändler als sonst zu sehen. Ich habe gehört, dass der Leadenhall Market geschlossen werden soll, weil die Bauern vom Lande nicht mehr mit ihrer Ware in die Stadt kommen wollen.«
»Aber was soll denn aus uns werden, wenn wir nichts mehr zu essen bekommen?«
Tom zuckte die Achseln. »Ich nehme an, dieBehörden werden uns irgendwie ernähren - zumindest werden sie uns mit unserem täglichen Brot versorgen«, sagte er. »Allerdings meint der Doktor, dass nur sehr wenig Vorräte angelegt wurden. Es sind weder öffentliche Gelder da, um die Armen zu unterstützen, noch ist Getreide für einen solchen Fall eingelagert worden.«
Ein kurzes Schweigen folgte, dann warf er mir einen mitfühlenden Blick zu und fragte: »Hast du einen großen Schreck bekommen, als du den Doktor in seiner Kluft gesehen hast?«
»Oh ja!«, sagte ich und versuchte, auf eine anziehende Art zu erschauern. »Ich dachte, dass er ein feindliches Höllentier sei!«
Tom lachte. »Ja, das kann er manchmal sein. Aber er ist ein guter Lehrmeister.«
Wir kamen zum Geschäft, und Sarah, die einen Blick hinausgeworfen hatte, sah, dass Tom mich begleitete. Sie bat ihn ins Haus und lud ihn ein, mit uns zu Mittag zu essen.
»Vielen Dank, aber der Doktor hat mich gebeten, sofort zurückzukommen«, antwortete Tom. »Und ich muss noch eine Menge Tränke und Schutzmittel zubereiten.«
»Dann vielleicht ein anderes Mal«, sagte Sarah.
Sie war so taktvoll, sich umzudrehen und am Feuer zu schaffen zu machen, als wir uns verabschiedeten. Meine Kehle war trocken, denn in Toms Augen lag ein bestimmter Ausdruck, und ich fragte mich aufgeregt, ob er versuchen würde, mich zu küssen, und ob ich es zulassen sollte oder nicht.
Er schärfte mir ein, alle notwendigen Vorkehrungen gegen die Krankheit zu treffen, und sagte, er komme so bald wie möglich wieder vorbei, dann beugte er sich vor und fuhr schnell mit seinem Mund über meine Wange. Hinterher ärgerte ich mich über mich selbst, denn ich hatte ihm die Wange so schnell hingehalten, dass er mit seinem Mund auf einem der Bänder meiner Haube gelandet war. Aber andererseits hätte ich ihm diese Freiheit vielleicht überhaupt nicht zugestehen sollen?
Ich beschloss, Abby zu fragen, was sie dazu meinte, und ging zurück in den Laden, wobei mir auffiel, dass ich die ganzen letzten vier Minuten überhaupt nicht an die Pest gedacht hatte.
Drei Tage später - es gab viel zu tun und Sarah war so bedrückt, dass ich sie nicht allein lassen wollte - machte ich mich mit unseren Wasserkrügen auf den Weg zum Bell Court, in der Hoffnung, Abby dort anzutreffen. Ich hätte nicht so weit zu gehen brauchen, um Wasser zu holen, aber ich wusste, dass sie diese Stelle vorzog, und ich wollte wissen, wie es ihr ging.
Sie stand jedoch nicht in der Schlange zum Wasserholen, die nur halb so lang war wie üblich, denn inzwischen hatten viele vornehme Leute die Stadt verlassen und ihre Dienerschaft entweder mitgenommen oder sie ihrem Schicksal überlassen. Ich konnte mich noch erinnern, wo sie wohnte, also füllte ich unsere Behälter vorläufig nicht, sondern machte mich dorthin auf. Bei sämtlichen Kirchen, an denen ich vorbeikam, läuteten die Totenglocken: St. Bride's, All Halows, St. Sepulchre's.
Ich hätte es nicht gewagt, am Vordereingang des Hauses zu klopfen, doch es stand ein Junge im Hof und striegelte eines der Pferde. Als ich ihn fragte, ob Abby da sei, lief er los und kam kurze Zeit später mit ihr wieder.
Zu meiner großen Erleichterung - denn mir war ein furchtbarer Gedanke gekommen - sah sie sehr gut und vollkommen gesund aus. Wir umarmten uns, und ich sagte ihr, dass ich mir Sorgen um sie gemacht habe, weil sie nicht beim Brunnen gewesen sei.
Sie wies auf einen Brunnen im Hof. »Mr. Beauchurch sagt, dass wir jetzt dieses Wasser nehmen und uns nicht in die Schlange beim Bell Court stellen sollen. Er meint, dass große Menschenmengen gefährlich sind«, sagte sie und verzog das Gesicht. »Also muss ich auf meinen Nachmittagstratsch verzichten!«
Sie nahm mich beim Arm, und wir gingen über den Hof in die kühle Milchkammer, einen großen, luftigen, blau-weiß gekachelten Raum. Auf dem Boden waren Milchkannen aufgereiht, es gab je ein Butterund ein Käsefass, und mehrere große runde Käseräder waren dort gelagert.
»Hannah, stell dir vor«, sagte sie aufgeregt, »ich soll mit meiner Herrin und dem Baby nach Dorchester fahren!«
»Wo ist Dorchester?«, fragte ich, denn ich hatte noch nie davon
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