Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin
in die Schenken (die nach und nach wieder öffneten), um sich dort über ein Zwischenstadium von falscher Fröhlichkeit hinweg bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken.
Obgleich sich unsere Kräuterleckereien nach wie vor ziemlich gut verkauften, glaubte keiner mehr wirklich an Schutzmittel - nicht, wenn Tote aufgefunden wurden, die noch im Tode eben die Talismane umklammert hielten, die sie hätten retten sollen. Es gab keinerlei Anordnungen von den Behörden, sie wollten uns offenbar unserem Schicksal überlassen, denn die einzige neue Anweisung, die wir vernahmen, war das Verbot, Pesthäuser neben den Wohnhäusern der Reichen und Vornehmen zu errichten.
Ich wollte wieder zu Abby gehen, aber ich schlief in der Nacht schlecht (weil die Furcht vor den Pestgruben mich immer noch verfolgte) und konnte am nächsten Morgen nur unter großer Anstrengung und mit zitternden Beinen aufstehen.
Sarah bat mich, im Bett zu bleiben. »Wenn du dich schwach fühlst, sind die Chancen größer, dass du dich ansteckst«, sagte sie.
Am nächsten Morgen ging es mir wieder genauso. Erschöpft und weinerlich verschlief ich einen Großteil des Tages und wünschte mir zum ersten Mal, dass ich wieder bei meinen Brüdern und Schwestern in Chertsey wäre, in Sicherheit. Mir kam der Gedanke -und natürlich kam er auch Sarah -, dass dies die ersten Anzeichen der Pest sein könnten, doch Gott sei Dank fühlte ich mich am Morgen des dritten Tages besser und wollte unbedingt losgehen, um zu sehen, wie es Abby ging.
Bevor ich dazu kam, war jedoch schon Mr. Newbery bei uns, um uns eine neue Gruselgeschichte aufzutischen, diesmal über einen seiner Freunde, einen gewissen Josiah Brown, der ihm zufolge so wohlauf und vergnügt gewesen war wie kein Zweiter. »Er sah sich so gut er konnte gegen die Pest vor, ging nur mit einem in Essig getränkten Tuch vor dem Gesicht aus dem Haus und vergaß nie, sich umzukleiden, wenn er wieder nach Hause kam. Letzte Woche noch habe ich ihn gesehen, und er war so gesund und munter wie Ihr und ich!«, sagte er. »Nun, am Montag begegnete mein Freund Josiah jemandem auf der Straße - einem Astrologen -, der einen einzigen Blick auf ihn warf und ihm dann sagte, dass ihm der Tod ins Gesicht geschrieben stehe.«
Sarah und ich warfen uns bedeutungsvolle Blicke zu, weil wir wussten, was als Nächstes kommen würde.
»Nun, Josiah hat ihn ausgelacht«, fuhr Mr. Newbery fort, »und ihm gesagt, dass er sich so wohl fühle wie noch nie. Doch als er nach Hause kam und sich umzog, sah er zu seinem großen Entsetzen, dass er Merkmale auf der Brust hatte. Und er wusste, dass die Merkmale Brandflecken waren und dass die Pest sich nach innen gekehrt hatte und sein Fleisch hatte absterben lassen.« Er machte eine kurze Verschnaufpause. »Und dann setzte sich mein Freund Josiah hin und starb, einfach so.«
Sarah schüttelte missbilligend den Kopf, doch ich schwieg und dachte an Abby.
»Esst, trinkt und seid vergnügt, denn morgen wird uns der Tod ereilen!«, fuhr Mr. Newbery fort. »Und es ist doch am besten, glücklich zu sterben«, sagte er und zwinkerte mir dann zu. »Vielleicht wäre es ja auch einen Versuch wert, die Franzosenkrankheit zu bekommen!«
Ich wusste nicht, wovon er sprach, doch als er gegangen war, erklärte mir Sarah errötend, dass man glaubte, Männer, die zu Dirnen gingen und daraufhin eine Krankheit bekamen, seien vor der Pest gefeit. »Aber das ist nur ein Gerücht, weil niemand mehr weiß, was wahr ist und was nicht«, sagte sie stirnrunzelnd. »Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott es zulassen würde, dass ein Mann gerettet wird, weil er mit einer... mit einer Hure schläft. Das wäre nicht richtig.«
Auf dem Weg zu Abbys Haus erblickte ich zu meinem großen Entsetzen noch eine Leiche auf der Straße (eine Frau, die anscheinend schwanger war) und hörte die gequälten Schreie von Leuten in einem versiegelten Haus. Ich begann mich vor dem zu fürchten, was mich im Haus Belle Vue erwarten würde. Doch Abby stand wieder am Fenster, allerdings sah sie blass und erschöpft aus. Hinter ihrem Ohr steckte keine Blume mehr, und ihr Haar war lose und hing strähnig herunter.
Als ich sie fragte, wie es ihr ging, schüttelte sie teilnahmslos den Kopf. »Mir geht es ganz gut, und ich habe auch keine Beulen«, sagte sie, »aber ich fürchte, dass ich noch verrückt davon werde, in diesem Haus eingesperrt zu sein.«
»Aber wie geht es deiner Herrin?«, fragte ich. Dann fiel mir auf, dass sie sich nicht wie
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