Zuckerpüppchen - Was danach geschah
backen, es zu Hause gemütlich machen, Gäste bewirten, aber nicht immer, nicht jeden Tag. Ich möchte es auch einmal etwas einfacher haben, nur eine Suppe, eine Schnitte Brot aus der Hand. Damit ich mehr schreiben kann.”
“Diese Rolle haben wir überhaupt noch nicht besprochen”, hakte Jaap nach, “die Rolle der Schriftstellerin, der Journalistin.” Gaby stieß den Rauch ein wenig mißbilligend durch die Nase aus. “Schriftstellerin, ein großes Wort. Außerdem spiele ich dann keine Rolle. Wenn ich schreibe, dann bin ich das. Das kommt ganz und gar aus mir heraus. Wie die Liebe zu meinen Kindern, da steht nichts dazwischen. Schreiben, das bin ich selbst.” Jaap schwieg und sah sie lächelnd an. Unter seinem wissenden Blick wurde sie unsicher. “Ich meine, so fühle ich das. Ich will sagen, das ist keine Rolle, nichts, was man von mir verlangt, das ist wie ein Brunnen, der angebohrt ist und der jetzt sprudelt.” — “Laß es sprudeln”, riet Jaap ihr. “Wenn dich dein Mann und deine Schwiegermutter verrückt machen, wenn du jetzt noch nicht mit ihnen reden willst, ziehe dich zurück und sei du selbst. Schreibe. Du hast noch soviel, worüber du schreiben kannst.”
“Darüber kann ich nicht schreiben”, sagte Gaby schnell und dachte an alles, was sie zu verbergen hatte, an Pappi, und wie schwer es gewesen war, überhaupt mit Hubert und Ursel und Jean darüber zu reden. Und das waren drei Menschen, denen sie vollkommen vertraute. Die würden ihr nicht wehtun. Aber was würde geschehen, wenn jedermann es wußte? Und wie sollte sie davor die Zeit überstehen, wenn sie sich wieder ganz in ihre Kindheit zurückversetzen müßte? “Ich habe ein neues Manuskript”, lenkte sie ab. “Es handelt von einem Mädchen, daß all ihre Probleme wegfuttert. Ich glaube, das wird auch ganz brauchbar.” Mehr wagte sie nicht zu sagen. Schriftstellerin! Das klang übertrieben. Sie brauchte dringend einen Ansporn, um weiterzumachen.
Der Ansporn kam einige Tage später mit der Post.
“Herzlichen Glückwunsch! Sie haben gewonnen. Aus über dreitausend Einsendungen haben wir Ihre Geschichte ausgewählt. Im Frühjahr nächsten Jahres werden wir Ihren ‘Wanderpokal’ aussenden. Wir gratulieren!”
Gaby konnte es nicht fassen. Die Zeilen verschwammen vor ihren Augen. Ich bilde mir das ein, dachte sie, dies ist reines Wunschdenken. Sie ging ins Badezimmer, ließ kaltes Wasser über ihre Unterarme laufen, trocknete sie sorgfältig ab und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. Da lag der Brief vom Sender auf ihrer Schreibmaschine. Diesmal blieben die Zeilen kühl und unberührt stehen. “Herzlichen Glückwunsch.” Es war wahr. “Hubert”, rief sie, “Hubert, ich habe gewonnen.” Ohne anzuklopfen, platzte sie in sein Arbeitszimmer. Erschrocken schob er einen Bogen Papier unter einen Stapel Post. Sie blieb stehen, ihr Brief zitterte in ihrer Hand. “Ich wollte dich nicht stören.” Sie sah zu dem Stapel Post. Er stand auf. “Du störst doch nicht. Wie kommst du denn darauf? Ich bin nur dabei, ein paar schwierige Dinge von der Firma zu bearbeiten.” Natürlich, die Firma. Was sie schon wieder dachte. “Ich habe gewonnen”, sagte sie, und fragte sich, wie in wenigen Sekunden das überschäumende Glücksgefühl so verschwinden konnte. “Ich habe bei einem Wettbewerb mitgemacht — eine Geschichte über ältere Menschen. Meine wurde ausgewählt.” — “Wie schön für dich.” Hubert war sichtlich überrascht. “Über ältere Menschen? Nichts für Kinder? Du machst dich.” Er küßte sie. Ihr Blut begann wieder zu singen. Du machst dich, hatte er gesagt. Sie mauserte sich sozusagen. Vielleicht erkannte er doch, daß ihr Schreiben mehr als nur eine Flause war. Vielleicht erkannte er auch, daß sie noch mehr in ihrem Kopf hatte, als den Geschirrspüler, Essen, Kochen, Putzen. “Ich möchte euch zum Essen einladen”, sagte Gaby später zu Huberts Mutter und zu Hubert. “Zusammen mit den Kinder möchte ich euch ausführen.” — “Da sagen wir nicht nein”, lächelte Huberts Mutter gewinnend. “Du weißt ja, wir Gerkens wissen, was gut schmeckt. Ist dein Honorar denn hoch genug, um das zu bezahlen?” Der Abend war ein voller Erfolg. Hubert ging es schon wieder so gut, daß er das Essen genießen konnte. Daniel und Alex waren durch die vornehme Ausstattung des französischen Feinschmeckerlokals derart beeindruckt, daß sie nur gedämpft ihre Wünsche äußerten. “Ich möchte ein saftiges Steak. Mit
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