Zuckerpüppchen - Was danach geschah
Kräuterbutter.” Daniel war zwar erst zehn Jahre, aber einen Appetit hatte er wie ein Großer. “Und ich Pfannekuchen.” Alex war noch immer ihr Leckermäulchen. “Die nennt man hier ‘Crepes’ ”, belehrte ihn seine Großmutter. “Hauptsache, sie schmecken so gut wie die von Mammi.” — “Kinder”, lächelte Huberts Mutter. “Wie schön, daß für Kinder die eigene Mutter immer alles am besten macht.”
Gaby dachte an Mutti. Ja, Mutti hatte den leckersten Schinkenauflauf gemacht. Oder ihr Pflaumenkuchen, der hatte nie wieder irgendwo so geschmeckt wie bei ihr in der Küche am Küchentisch. Sie hatte später das gleiche Rezept ausprobiert, aber da fehlte etwas. Sie wußte nicht, was es war. Das war wie mit dem Rotwein vom Cap d’Agde. Der hatte im Urlaub auf der Terrasse des kleinen Restaurants herrlich geschmeckt. Daheim in Holland fehlte ihm die Glut.
“Du träumst, Gaby.” Hubert legte seine Hand auf ihren Arm. “Wo bist du nur mit deinen Gedanken? Bloß gut, daß ich nicht eifersüchtig bin.”
Nein, Hubert war nicht eifersüchtig. Seit sie nach der Operation wieder miteinander schliefen, begann auch der Druck wieder. Obwohl Gaby klipp und klar gesagt hatte: Ich gehe nie wieder in einen Sexclub. Sie fand, sie konnte jetzt beurteilen, was es hieß, in einen Sexclub zu gehen. Und sie wollte nicht noch mehr “Erfahrungen” dieser Art sammeln. “Trotzdem, es wäre nicht schlecht für dich, einmal andere Erfahrungen zu machen. Mit einem anderen Mann zu schlafen, den du magst.” Sie begriff ihn nicht. “Wärst du denn dann nicht eifersüchtig?”
“Eifersüchtig?” Er strich ihr über die Wange. “Ich weiß doch, daß du mich liebst. Ja, wenn du jemand anders lieben würdest, das wäre eine andere Geschichte, aber so?” — “Ich will aber nicht”, hatte Gaby gesagt und sich über sich selbst gewundert. Ihr Herz klopfte bis zum Halse. “Ich will niemand anders als dich. Und etwas zu lernen brauche ich doch wohl nicht?” — “Natürlich nicht! ” Hubert hatte sie in die Arme genommen. “Du bist meine perfekte Geliebte. Alle Frauen in dir vereint. In deinen Armen kann ich an die Frauen denken, die ich nicht haben kann...” Als er anfing, ihr die Namen ihrer Freundinnen ins Ohr zu flüstern, träumte sie sich weg. Sie konnte es nicht mehr ertragen, nur eine Hülle zu sein, die er benutzte, während er an andere dachte. Lämmer, kleine unschuldige Lämmer sprangen über die Wiese. Sie war weit weg.
“Also bitte, Gaby.” Huberts Mutter hatte einen leicht verweisenden Tonfall. “Wir essen Lamm. Schließt du dich uns an?” — “Lamm? Um Gottes willen, nein, ich mag kein Lamm.” — “Gaby ißt nie Lamm”, bestätigte Hubert. “Ich esse Zunge”, sagte Gaby, “eine Zunge, in Butter gebacken.”
Während des Essens erzählte Huberts Mutter von verschiedenen Mietern in ihrem Hause, und sie mußten alle ein paarmal lachen. Sie konnte sehr amüsant erzählen. “Da war einer”, sie tupfte mit ihrer Serviette ihren Mund ab, “der zog nach ein paar Tagen wieder aus. ‘Ich kann hier nicht schlafen, Frau Gerken.’ Er schaute mich ganz verzweifelt an. ‘Dies Haus hat zu viel Geister.’ — ‘Geister?’ habe ich ihn gefragt. ‘Sehen Sie bei uns Geister?’ — ‘Nicht nur sehen, Frau Gerken. Ich höre sie auch. Überall!’ Ich kann dir sagen”, sie nahm die Hand ihres Sohnes, “der war mir richtig unheimlich. ‘Ist dann auch wohl besser, wenn Sie ausziehen’, habe ich ihm gesagt. Geister, Gespenster.” Sie schüttelte ihren Kopf und nippte an ihrem Wein.
“Gibt es Geister?” fragte Daniel. “Sehen die so aus wie in meinem Bilderbuch?” wollte Alex wissen. “Ich glaube schon, daß es welche gibt.” Gaby lächelte ihm zu. “Es gibt so viele Dinge, die wir nicht begreifen.” — “Ach, du mit deiner Spökenguckerei!” Hubert wandte sich zu seiner Mutter. “Gaby glaubt nämlich manchmal hellzusehen. So hat sie vor zwei Nächten geträumt, daß etwas mit Natalie sei. Dabei hat Natalie heute mittag dann aus Hongkong angerufen. ‘Alles bestens’, konnte ich zwar nur verstehen, weil die Verbindung schlecht war, aber immerhin. Gabys Phantasie treibt oft tolle Blüten.”
Damit meinte er wahrscheinlich auch ihre anderen Vorstellungen. Sie senkte beschämt den Kopf. Sie konnte froh sein, daß Hubert das alles so leicht nahm.
Gaby versuchte vor dem Spiegel ein zufriedenes Lächeln. Es war nicht einfach. Wenn man lächelte, sah man jünger aus. Wollte sie jünger
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