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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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die unterdrückten Schreie herausgekommen, und sie hätte nur noch geschrien, schrill und kreischend, ohne je wieder aufhören zu können.

    Huberts Mutter war seit einer Woche da. “Es geht mir jetzt schon so gut”, hatte Hubert gesagt, “daß sie sich nicht mehr erschrickt, wenn sie mich sieht.” Das stimmte. Sein Gesicht hatte wieder etwas Farbe bekommen, und die Augen lagen nicht mehr in tiefen Höhlen. Doch seine Mutter brach doch in ein großes Ach und Weh aus, als sie ihren Ältesten sah. “Mein Guter, mein Armer, wie schrecklich siehst du aus! Was bist du mager geworden, mein Gott, was haben sie mit dir gemacht, daß du so leiden mußt?” Und dann die Kardinalfrage: “Sorgt Gaby auch gut für dich?” — “Natürlich, Mutter”, sagte Hubert und tätschelte ihren Rücken, “natürlich sorgt Gaby gut für mich.” — “Na ja, jetzt bin ich ja auch da.” Das klang in Gabys Ohren wie eine Drohung, und die hatte sie in der letzten Woche auch wahr gemacht. Kein Mittagessen war mehr gut genug. Wieder mußte immer im letzten Moment noch ein Salat zubereitet, ein Stückchen Fleisch extra gebraten, der Bouillon noch ein Ei zugefügt, die Soße mit Sahne abgeschmeckt werden. Sie nahm Gaby die Dinge aus der Hand, schob sie zur Seite. “Ich mache das schon “, sagte sie, “ich weiß, was Hubert leckerfindet.” — “Sie meint es nur gut”, sagte Hubert, als Gaby sich bei ihm beklagte. “Ich möchte nicht, daß du ihr Vorhaltungen machst.”
    “Ich werde verrückt”, weinte sie bei Jaap. “Ich werde wirklich verrückt. Ich habe in meinem eigenen Haus nichts zu sagen. Sie kommandiert mich wie ein Dienstmädchen hin und her und sieht mich an, als wenn ich der letzte Dreck bin.” — “Ist das nicht deine eigene Interpretation”, fragte Jaap. “Warum sollte sie so eine schlechte Meinung von dir haben?”
    Gaby zog hilflos die Schultern hoch. “Ich weiß es nicht. Sie fühlt wahrscheinlich, daß ich anders bin, anders als normale Frauen.” — “Wie sind denn ‘normale’ Frauen?” Gaby wandte den Blick ab. “Auf jeden Fall Frauen, die nicht soviel zu verbergen haben. Die nicht dauernd Theater spielen.” — “Wieso spielst du Theater?” Sie verschränkte ihre Hände fester in ihrem Schoß, grub die Nägel in ihren Handrücken. “Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß ich mir oft zusehe, als spiele ich eine Rolle: die Rolle der liebenden Mutter, die Rolle der verständnisvollen Ehefrau, die Rolle der guten Hausfrau. Irgendwie bin ich das alles und bin es doch wieder nicht.” Sie sah ihn groß an. “Ich rede Unsinn, nicht wahr?” Jaap lächelte leise. “Es ist kein Unsinn, aber laß uns kurz auf deine ‘Rollen’ eingehen: Du liebst deine Kinder?” — “Natürlich.” Darüber brauchte sie keine Sekunde nachzudenken. “Ich bin vielleicht nicht immer so geduldig wie eine Bilderbuchmutter, aber ich liebe sie, ich würde alles für sie tun, sie nie im Stich lassen...” — “Schon gut”, wehrte Jaap ab, “du sollst ja nicht zu Felde ziehen für deine Kinder. Wie steht es mit der Rolle Nummer zwei: die verständnisvolle Ehefrau?” Gaby lehnte sich zurück und schloß die Augen. Die letzten elfeinhalb Jahre ihrer Ehe zogen in Sekundenschnelle an ihr vorbei: das unglaubliche Glücksgefühl der ersten zwei Monate, dann Patty, dann wurde Daniel geboren, zwei Fehlgeburten, Alex, Huberts langes Fortbleiben, Fotos aus Kolumbien, seine Phantasien, sein Druck auf sie, der rosarote Club, sein stärker werdender Druck, ihre Einsamkeit, ihr Zittern, seine Operation, das Telefongespräch, seine Mutter... Sie öffnete ihre Augen, und sie fühlte, wie ihr erneut Tränen über die Wangen liefen. “Ich glaube, ich kann diese Rolle nicht mehr spielen. Ich bin keine verständnisvolle Ehefrau. Auf jeden Fall nicht in dem Maße, wie Hubert sie braucht.” Sie wischte die Tränen ab. “Aber ich liebe ihn. Ich kann nicht ohne ihn sein.” — “Du mußt mit ihm reden.” Jaap zündete sich eine neue Zigarette an. “Du mußt mit ihm reden und vielleicht auch mit seiner Mutter. Du bist kein Kind mehr. Du kannst dich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr setzen.” Er sah sie nachdenklich an. “Die Rolle der guten Hausfrau — wie steht es damit?” Gaby beugte sich vor und nahm sich auch eine Zigarette. Ihre Hand zitterte stark, als Jaap ihr Feuer reichte, und sie schämte sich. Sogar jetzt zitterte sie wie ein altes Weib! Würde das denn nie besser werden? “Ich tue das alles ganz gerne, kochen,

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