Zuckersuesse Todsuenden
hat doch niemanden in einen Pilz verwandelt, oder?«
»Nein.«
»Na, dann kann es ja nicht so schlimm sein, oder?«
Doch, ziemlich schlimm sogar, dachte ich, aber mit ein wenig Glück würde Shirley heute Morgen froh und munter aufwachen und sich fragen, ob sie diese grauenhafte Geschichte nur geträumt hatte.
Zwei Stunden später war von Glo immer noch keine Spur zu sehen. Clara drehte das Schild von GESCHLOSSEN auf GEÖFFNET und schloss die Eingangstür auf.
»Ich werde bedienen«, erklärte sie. »Du kannst die Cupcakes glasieren.«
»Hast du versucht, Glo anzurufen?«
»Ja. Keine Antwort.«
»Sie hat ihren Wagen gestern Abend vor meinem Haus stehen lassen. Ich habe ihr angeboten, sie heute früh abzuholen, aber das war ihr zu früh. Sie sagte, sie könne mit ihrem Vermieter mitfahren.«
»Es ist wirklich nervig, wenn sie dauernd zu spät kommt«, meinte Clara. »Aber zumindest sind ihre Entschuldigungen meistens recht unterhaltsam.«
Kurz vor neun stürmte Glo in die Bäckerei und ließ ihre Umhängetasche auf die hintere Theke fallen.
»Es tut mir leid, dass ich zu spät komme«, entschuldigte sie sich. »Ich habe Stanley verpasst, also wollte ich mich einfach mit Hilfe eines Zauberspruchs in die Bäckerei befördern.«
Clara und ich unterbrachen unsere Arbeit und starrten Glo an.
»Und?«, fragte Clara.
Glo trug eine Bomberjacke aus schwarzem Leder, ein T-Shirt aus schwarzem Stretch, enge schwarze Jeans, schwarze Turnschuhe und einen langen roten Schal. Sie nahm den Schal ab und warf ihn auf ihre Tasche.
»Der Zauberspruch kam mir recht einfach vor«, fuhr Glo fort. »Ich brauchte dazu keine Hoden eines Trolls oder so etwas. Ich meine, es war ein simpler Spruch. Und ich bin sicher, dass ich ihn richtig abgelesen habe. Ich habe keine Ahnung, was schiefgelaufen ist.«
»Etwas ist schiefgelaufen?« Clara sah so aus, als wollte sie darauf eigentlich keine Antwort hören.
»Ich sollte fliegen können, aber das mit dem In-die-Luft-Schwingen haute einfach nicht hin. Ich glaube, ich habe ganz kurz vom Boden abgehoben, doch das war auch schon alles. Ehrlich, es war nervtötend. Schließlich musste ich mit dem Fahrrad fahren.«
Clara und ich verdrehten gleichzeitig die Augen.
»Vielleicht hast du nicht den richtigen Besen benutzt«, meinte Clara.
Glos Augen wurden groß und rund. »Ich habe gar keinen Besen benutzt. Glaubst du, dass es daran gelegen hat? In dem Buch stand nichts von einem Besen.«
Clara zog sich einen Einweghandschuh über und ordnete das Brot in dem Drahtregal neu an. »Jeder weiß, dass eine Hexe zum Fliegen einen Besen braucht.«
»Ja, aber ich bin vielleicht keine Hexe. Glaubst du, dass das einen Unterschied machen würde? Diesel hat gesagt, ich sei eine Fragwürdige. Und Lizzy sei eine Unerwähnbare.«
Clara warf mir einen Blick zu. »Stimmt das?«
»Das hat er gesagt.«
»Hast du gewusst, dass du eine Unerwähnbare bist?«
»Nein. Wie auch?«
Glo zog ihren violetten Verkaufskittel über ihr langärmeliges T-Shirt und knöpfte ihn zu. »Ich wette, es gibt viele Unerwähnbare in Salem. Vielleicht waren sogar einige der Dazzles Unerwähnbare.«
»Schon möglich«, meinte Clara.
»Und was ist mit dir?«, fragte Glo Clara. »Hast du ein geheimes Talent wie alle Unerwähnbaren? Mrs Morganthal sagte, du könntest Brot backen, indem du es einfach nur berührst.«
Clara zog den Handschuh aus. »Mrs Morganthal unterhält sich mit Gemüse.« Sie nahm ihre Schürze ab. »Ich gehe rasch einkaufen. In einer halben Stunde bin ich wieder da.«
Selbst in einem weißen Küchenkittel fällt Clara mit ihrem wuscheligen Haar und den scharf geschnittenen Gesichtszügen auf, und man braucht nicht viel Fantasie, um sie sich als eine Art Hexe vorzustellen.
Glo nahm ihren Platz hinter der Theke ein, und ich kehrte in die Backstube zurück. Ich füllte den großen Spritzbeutel mit Vanillebuttercreme und verzierte damit drei verschiedene Arten von Cupcakes. Darauf gab ich bunte Zuckerstreusel, winzige essbare Goldsternchen und Schokoladenstreusel. Ich holte Claras Rosinenbrote aus dem Ofen und stellte sie zum Abkühlen auf einen Rost.
Um Schlag zehn Uhr stürmte Glo in die Backstube. »Shirley ist hier! Sie steht mit dem Rücken zum Schaufenster vor der Bäckerei, wedelt mit den Armen und spricht mit sich selbst.«
»Was sagt sie?«
»Ich weiß es nicht. Die Tür ist geschlossen, und ich kann sie nicht hören. Was soll ich jetzt tun?«
»Hat sie eine Waffe?«
»Ich kann keine sehen, aber
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