Zügel der Leidenschaft
Melancholie und sehr viel Zärtlichkeit.
Und in wilder Verzweiflung.
Als sie im Morgengrauen in seinen Armen lag und die schweren Vorhänge betrachtete, wünschte sie sich, sie könnte auf ewig in diesem luxuriösen Gemach bleiben, abgeschlossen vor der Welt, isoliert von allen Problemen, die sie nun bedrängten.
Als er sie erneut bat, ihn zu heiraten, wie sie es erwartet hatte, und versprach, sie vor Brook und der Hexenjagd der Gesellschaft zu schützen, weinte sie wie ein Kind. Sie flehte ihn an, bei ihr zu bleiben, bettelte und versprach, alles zu tun, um ihn zu behalten.
Aber heiraten gehörte nicht dazu.
Aus den gleichen Gründen, wegen der gleichen Hindernisse umschloß sie ein goldener Käfig.
»So kann ich aber nicht leben«, sagte er schließlich. »Ich kann dich nicht teilweise besitzen. Es tut mir leid.« Er konnte sie nicht grundsätzlich mit einem anderen teilen – gleich, wie theoretisch der Besitzanspruch ihres Gatten war.
Dann stand er auf und zog sich an, während sie ihm mit tränenüberströmten Gesicht zusah. »Wenn du jemals bereit bist, mich zu heiraten, sag Chambers Bescheid«, meinte er leise. »Er kann mich überall in der Welt erreichen. Aber es geht um Heirat, mon ange , oder nichts. Ich würde langsam Stück für Stück absterben, wenn ich wie deine Freunde in ihrer Scheinwelt leben müßte.«
Sie klammerte sich an ihn, als er sie zum Abschied küßte, bis er schließlich ihre Arme von seinem Hals löste und sagte: »Werd jetzt nicht sentimental, altes Mädchen, du bist doch zäh. Wir werden es beide überleben.«
Aber er war sich nicht sicher, ob er das tatsächlich so meinte, und das Verlassen dieses Zimmers war das Schwerste, was er in seinem ganzen Leben fertigbrachte.
Nach einer Weile klopfte Madame Centisi an der Tür und teilte Angela mit, daß Kits Kutscher sie nach Hause bringen würde. Sie wischte sich die verquollenen Augen trocken, putzte sich die Nase und sagte sich, es gäbe durchaus Menschen, die ohne Liebe oder Glück lebten. Dann zog sie sich an, als ginge sie aufs Schafott.
Als sie in Kits Kutsche stieg, umfing sie sein Duft, und sie brach zusammen und schluchzte so laut, daß der Kutscher sich fragte, was sein Herr ihr wohl angetan hatte.
Sie schlief die ganze Nacht nicht, sondern schrieb jämmerliche kleine Briefe an Kit, in denen sie ihn anflehte, zurückzukommen und bei ihr zu bleiben. Aber sie zerriß einen nach dem anderen und verbrannte sie, wie bei einem heidnischen Totenritual, weil sie ihn darum nicht bitten konnte und er sich nicht umstimmen lassen würde. Es war sinnlos.
24
Kit lief im ersten Morgenlicht zu Fuß vom West End bis zur City und an der Themse entlang wieder zurück. Auf dem Rückweg ging die Sonne in aller Pracht auf – als sei das Universum sich in keiner Weise bewußt, daß sein ganzes Leben nun nur noch grau und trostlos vor ihm lag.
Nachdem er schließlich in seine Wohnung zurückgekehrt war, setzte er sich in sein Arbeitszimmer und trank sein Frühstück; als Saskia um neun Uhr erschien und ihn sah, sagte sie: »Ich glaube, du brauchst etwas, das dich aufheitert.«
Er sah sie mit leeren, traurigen Augen an. »Tut mir leid«, sagte er, »aber ich glaube, so etwas gibt es nicht.«
»Die Desirée wird garantiert in zehn Tagen fertig sein.«
Doch er seufzte nur, statt sich zu freuen. »Kommst du mit mir?«
»Als deine Freundin?« Sie wartete mit mehr Ungeduld auf seine Antwort, als sie es für möglich gehalten hätte.
Er zögerte so lange, daß sie sich fragte, ob er ihre Frage nicht gehört hatte, doch dann sagte er schließlich: »Ja, als eine Freundin.«
»Danke, nein«, antwortete sie leise. »Ich denke, es ist an der Zeit für mich, zu sehen, was Paris mir zu bieten hat.«
»Kann ich dich ab und zu besuchen?«
»Natürlich«, erwiderte sie dem Mann, der ihr das Leben wiedergegeben hatte. »Du bist jederzeit herzlich willkommen.«
Da lächelte er flüchtig, als hätte ihre Antwort ihm eine winzige Portion Hoffnung geschenkt. »Bleib bitte noch so lange, bis ich abfahre.«
»Wenn du das möchtest.«
»Ich würde es sehr schätzen.« Er drehte das Kristallglas mit dem Whiskey in den Händen und warf einen kurzen, angeekelten Blick darauf. »Ich habe sie gestern gesehen.«
»Das habe ich mir gedacht.«
Er seufzte. »Ich würde mir am liebsten das Herz herausreißen, damit der Schmerz aufhört.« Er lächelte grimmig. »Noch lieber möchte ich Greville das Herz aus dem Leib reißen und Schluß mit ihm
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