Zügel der Leidenschaft
Augen die leidenschaftliche Szene.
Angela ließ sofort die Hände von Kits Schultern fallen und löste sich aus seiner Umarmung. Sie verharrte völlig regungslos und betrachtete ihren Ehegatten mit einer so scharfen Aufmerksamkeit, wie Kit sie zuvor nur bei Begegnungen auf Leben und Tod gesehen hatte. Dann fragte sie mit kühler Stimme: »Was führt dich nach Cowes?«
»Ich bin mit Tarlington hier. Er brauchte ein paar Angelruten, und ich wollte mein Gewehr abholen, das ich letztes Jahr hier vergessen habe. Violet sagte mir, du hättest Kopfschmerzen – das ist wohl dein Arzt?« fügte er ironisch hinzu, doch das Jagdgewehr, das er in der Armbeuge hielt, verlieh seinem Spott eine gewisse Bedrohlichkeit.
Angela war mit der Boshaftigkeit ihres Mannes durch und durch vertraut, ignorierte seinen Hohn und entgegnete ruhig: »Ich weiß, wie sehr es dich danach drängt, auf die Schneehuhnjagd zu gehen, doch ich möchte dir danken, vorbeigeschaut zu haben. Gute Nacht.«
»Willst du mich nicht vorstellen, Angela?«
»Nein.«
»Braucht er deinen Schutz?«
»Alle brauchen vor dir Schutz, Brook.«
»Ich aber nicht«, warf Kit leise ein.
»Der ist aber sehr mutig«, höhnte Graf de Grae und rückte die Flinte in seiner Armbeuge zurecht.
»Bitte, Kit, nicht«, erwiderte Angela leise und legte beruhigend eine Hand auf Braddocks Arm.
»Ein kräftiger Mann – nun, so hast du es auch gern, nicht wahr?« murmelte der Graf unverschämt und ließ seinen Blick über Kits athletische Gestalt gleiten.
»Kleine Männer gefallen mir allgemein nicht sehr«, stimmte Angela freundlich zu, »aber es gibt natürlich Frauen, die das anders sehen.«
Der Graf, nur von mittlerer Größe und schlanker Statur, zog seine aristokratische Oberlippe hoch. »Welch ein Glück.«
»Ja, ganz gewiß.« Jedermann kannte die Vorliebe des Grafen für sehr junge Mädchen.
»Ich sehe, daß der blaue Affe dir immer noch den Hof macht. Wirst du die Krötenaugen von Souveral nicht langsam leid?«
»Wenn ich dazu Lust hätte, mit dir meine Freunde oder irgend etwas anderes zu diskutieren, würde ich nicht in Easton leben. Würdest du jetzt bitte so freundlich sein, dich zu entfernen? Dieses Haus gehört auch mir.«
»Ich möchte gern die süße kleine May sehen, ehe ich gehe«, gab der Graf salbungsvoll zurück.
»Sie schläft aber«, schnappte Angela. »Ich will nicht, daß sie gestört wird.«
»Sei doch nicht so trotzig, mein Schatz. Kann ich also mein Töchterchen nicht sehen?«
»Nicht zu dieser Stunde, Brook.« Angelas Stimme war nun vor Wut brüsk geworden; in ihren Augen blitzten plötzlich Tränen auf.
»Meiner Treu, was für eine Tigerin, wenn es um ihre Jungen geht. Habe ich dir gesagt«, fuhr er mit boshafter Gelassenheit fort, »daß die Loftons mich wieder besucht haben?«
»Wir haben eine schriftliche Abmachung«, erinnerte sie ihn mit leiser Stimme. Angela hatte dafür gesorgt, daß ihr Anwalt sie bei dem letzten Besuch auf Schloß Grae begleitete. Sie wußte, daß man Grae nicht trauen konnte.
»Scheint so, als sei das Lofton-Ding sehr unglücklich.« Er lächelte verschlagen. »Sie ist die einzige Tochter«, setzte er hinzu. »Und sie haben ein neues Angebot gemacht.«
»Das Dokument, das du unterzeichnet hast, ist bindend.«
»Vielleicht«, erwiderte er und drehte das Gewehr leicht herum, so daß die Mündung direkt auf sie gerichtet war.
Kit trat vor Angela.
»Da hast du aber einen tapferen Lanzelot«, meinte Brook sarkastisch.
Kit wandte sich zu ihr um. »Willst du, daß er geht?« fragte er sanft.
Sie schüttelte den Kopf, eine kaum wahrnehmbare Bewegung. Das letzte, was sie wollte, war ein Vorwand für Brook, den Hahn abzuziehen. »Es tut mir leid, daß Sie das miterleben müssen«, murmelte sie leise. Sie haßte es, ihre Eheprobleme öffentlich auszutragen, und ein bewaffneter Brook war eine deutliche Bedrohung. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen«, sagte sie nun verhalten zu Kit, in der Hoffnung, die Szene zu entschärfen. »Ich habe plötzlich doch recht starke Kopfschmerzen.« Ohne einen weiteren Blick auf ihren Mann verließ sie den Salon und schloß die Tür zu ihrem Schlafzimmer mit einem unfeinen Knall hinter sich. Darauf folgte die scharfe Umdrehung des Schlüssels.
»Sie war immer schon ein bißchen schwierig«, murmelte der Graf, und ein Lächeln umzuckte seine Mundwinkel – er war sich eines Sieges immer sicher, wenn er auf seine elterlichen Rechte über die gemeinsamen Kinder pochte. »Finden
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