Zügel der Leidenschaft
der fleischlichen Lust, die auch größere Mengen Brandy nicht zum Verschwinden hatten bringen können, Herr zu werden.
Mein Gott, wie süß sie war, wie zart sie in seinen Armen gelegen hatte ... Er ballte die Fäuste unter dem Ansturm von Wut und Begierde, die gleichzeitig seinen Verstand erfüllten, und dieses Gefühl war so neu für ihn, daß er überlegte, vielleicht nicht mehr so viel zu trinken. Er war noch nie von einer Frau so besessen gewesen, so verzehrt von Begierde. Während er die restlichen Kleidungsstücke abstreifte, rang er darum, dieses beunruhigende Gefühl zu verdrängen, und verwünschte die Welt und bestimmte Personen darin in die schlimmsten Niederungen der Hölle.
Dann fiel er nackt aufs Bett und schlief unmittelbar ein.
»Die Gräfin hat ihn offensichtlich gestern abend nicht erhört«, bemerkte Saskia. Die Damen saßen im Salon und nippten an ihrer morgendlichen Schokolade.
»Wirklich? Wie hast du das erkannt?« murmelte Cleo ironisch.
»Welche Gräfin?« fragte eine stattliche nordische Schönheit.
»Gräfin de Grae«, erwiderte Saskia. »Er war gestern abend – seinen eigenen Worten zufolge – von einer jugendlichen Leidenschaft für sie besessen.«
»Mag sie denn keine Männer?« Eine junge westafrikanische Frau, schön wie eine Skulptur aus Benin, hob die perfekten Brauen.
»Wohl nicht, wenn sie Kit hat abblitzen lassen.« Eine schlanke Chinesin, die Kit in San Francisco kennengelemt hatte, sprach die Worte im typischen Westküstenslang.
»Dann braucht er uns wohl, wenn er wach wird«, meinte eine üppige Rothaarige lächelnd.
»Wir helfen ihm schon, die Gräfin zu vergessen«, murmelte eine andere sanft.
»Er ist dann immer so ... wunderbar unersättlich, wenn er die ganze Nacht getrunken hat«, bemerkte die Ceylonesin mit den feingeschwungenen Brauen. »Wir werden alle von der Weigerung der Gräfin profitieren.«
Das löste einen gemurmelten Chor der Zustimmung aus. »Wir können der Gräfin auch dankbar dafür sein, daß sich Kit plötzlich nicht mehr ausschließlich für die manipulative Priscilla interessiert«, sagte Saskia.
»Hat er das Pembroke-Mädchen nun fallengelassen?«
»Bis jetzt nicht, aber immerhin ist er nicht mehr so davon überzeugt, sie sei die richtige.«
»Du hast sie ja schon kennengelemt, oder?«
»Wir haben sie letzte Woche bei der Parade gesehen, und wenn Kit nicht dabeigewesen wäre, hätte sie ausgesprochen unhöflich reagiert.«
»Wie hat er denn reagiert?«
»Er hat ihre Unhöflichkeit nicht zur Kenntnis genommen. Er schenkt ihr nur die alleroberflächlichste Aufmerksamkeit. Abgesehen von ihrer Funktion als potentieller Zuchtstute für seine Kinder hat er kaum Interesse an ihr. Doch mit dieser neuen Besessenheit ändert er vielleicht seine Pläne.«
»Vergiß nicht, daß er seiner Mutter eine englische Braut versprochen hat.«
Saskia zuckte die Achseln. »Die Gräfin ist Engländerin.«
»Aber verheiratet.«
»Wenn ihr ihn gestern abend gesehen hättet, würdet auch ihr euch fragen, ob das noch eine Rolle spielt.«
»Natürlich spielt das eine Rolle, Saskia«, sagte das irische Mädchen mit dem flammend roten Haar. »Eine Scheidung wäre ein Skandal, und abgesehen davon hat sie ihn ja wohl kaum eines Blickes gewürdigt.«
»Wie gut für uns«, schnurrte Cleo leise.
»Außerdem hat Kit keinen Sinn für Romanzen«, erinnerte die Afrikanerin sie. »Wenn er an der Gräfin interessiert ist, dann bestimmt nicht, um sie zu heiraten.«
»Das stimmt«, gab Saskia mit einem leisen Seufzer zu. »Es ist nur, daß ich dieses Pembroke-Mädchen einfach nicht ausstehen kann ...«
Viel später an diesem Morgen war Kit wiederum Gegenstand einer Unterhaltung, diesmal in der Mietvilla der Pembrokes, wo Charlotte und Priscilla in einem kleinen Salon mit Blick aufs Meer frühstückten.
Als man ihnen das leichte Frühstück, Tee und Toast mit Orangenmarmelade, serviert hatte, schickte Charlotte das Dienstmädchen hinaus, vergewisserte sich mit einem Blick, ob die Tür fest verschlossen war, und entfaltete sorgfältig ihre Serviette im Schoß. Dann nahm sie einen Schluck Tee und verharrte einen Moment nachdenklich, die Tasse in der Hand, setzte sie dann zurück auf die Untertasse und sagte: »Es hat mir nicht gefallen, wie Mr. Braddock gestern Abend Angela angesehen hat.«
Priscilla blickte von ihrem Toast auf, den sie gerade in vier gleich große Stückchen zerschnitten hatte, und sah die Mutter unschuldig und verständnislos an. »Er hat sie doch
Weitere Kostenlose Bücher