Zügel der Leidenschaft
Erregung.
Regen schlug ihr ins Gesicht, als sie über den Steinplattenweg zu Stone House hinüberlief. Der Sturm tobte ebenso wild wie ihre Leidenschaften. Sie hielt den Schirm wie ein Schild gegen den Wind und eilte zu dem Mann, der ihre Fantasie schon seit Wochen quälte und verlockte. Ihr silbriges, zartes Gewand schleppte wie ein Strom aus Seide hinter ihr her; der durchweichte Rock schlug ihr gegen die Beine, wenn sie über Pfützen hüpfte; ihre silbernen Satinschuhe wurden dabei völlig durchnäßt. Aber das bemerkte sie kaum, so aufgestachelt waren ihre Sinne; sie dachte nur an ihr Ziel und an den Mann, der dort auf sie wartete.
Die Buchen, die ein schon lange verstorbener Vorfahre in einem langgezogenen Bogen angepflanzt hatte, ragten wie Wächter hoch über ihr auf; die alten Äste knarrten im Wind, die Blätter rauschten und regten sich unter den starken Böen. Sie lehnte sich gegen die heftigen Windstöße und fragte sich, ob Kit nun tatsächlich auf sie wartete oder ob sie sein Auftauchen in Easton einfach nur fantasiert hatte.
Seine überraschende Ankunft heute abend schien ihr plötzlich unwirklich – die unschuldigen Vergnügungen nach dem Abendessen boten nun die vertrautere Realität, und nicht dieser rücksichtslose Freibeuter von einem Mann, der unverhofft in ihrem Arbeitszimmer gestanden hatte.
Doch dann sah sie die Lichter in der Ferne und lächelte in den Wind und den Regen.
Er war da.
Er wartete auf sie.
Das Glück hatte einen Namen bekommen.
Er mußte nach ihr Ausschau gehalten haben, denn die Tür öffnete sich schon, als sie sich dem kleinen Gartentor näherte. Lampenlicht ergoß sich ins Dunkel und beschien den mit Steinen gepflasterten Pfad. Dann trat Kit hinaus in die Nacht und war mit zwei langen Schritten vor dem Windfang. Er trug nur seine Reithosen und ein kragenloses Hemd; mit seinen nackten Füßen sah er aus wie einer ihrer Pachtbauern, und sie stellte sich vor, wie schön es wäre, wenn er zu Easton und ihrem Anwesen gehörte. Aber er strahlte nicht die Untertänigkeit eines Pächters aus: Er sprang nun eher, als daß er ging, rannte ihr entgegen, nahm ihr den Schirm aus der Hand und schwang sie auf seine Arme.
»Ich weiß nicht, ob ich es eine Sekunde länger ausgehalten hätte«, murmelte er, mit langen Schritten aufs Haus zueilend. »Sag mir, wie sehr du mich vermißt hast.« Er lächelte durch den Regen auf sie herab. »Ich bin beim Warten fast verrückt geworden, wollte schon hinüberkommen und dich suchen. Sind die anderen endlich ins Bett gegangen?«
»Endlich«, sagte sie mit einem glückseligen Lächeln. »Ja, ich habe dich schrecklich vermißt. Der Abend schien einfach kein Ende zu nehmen.«
»Bist du müde?« fragte er, als sie das schützende Vordach erreichten, und seine Stimme klang plötzlich verändert und besorgt.
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Ihre Gefühle konnte sie unmöglich beschreiben, denn Wochen der Vorfreude, der Sehnsucht, der nervösen Ängstlichkeit fielen jetzt von ihr ab.
Ihr Haar, wildgelockt von der Feuchtigkeit, glänzte hell im Dunkeln auf, und ihr freudig erregtes Gesicht war noch schöner, als er es in Erinnerung hatte. »Vielleicht solltest du dich ein wenig ausruhen«, bot er galant an, als hätte sie nicht eindeutig genug reagiert, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Ihr durchnäßter Körper lag kühl an seiner Brust. »Setz dich doch ans Feuer«, fügte er hinzu, als sie das Haus betraten.
Als Angela durch den Eingangsbogen in den kleinen Salon schaute, sah sie ein prasselndes Feuer im Kamin, Kits Stiefel und Jackett daneben zum Trocknen aufgehängt, und einen Strauß Rosen auf einem Tisch neben dem Sofa. »Du hast Rosen gepflückt«, sagte sie mit einem Blick zu ihm hoch, Entzücken in den Augen, denn der Duft der Paul-Neyron-Rosen erfüllte den Raum.
»Bertie sagte, du liebst Rosen.«
»Wie ritterlich«, neckte sie, »und in einer solchen Nacht.«
»Ich hatte genau drei Stunden und siebzehn Minuten Zeit ...«
Rasch hatte er den Kopf gesenkt, um auf seine Uhr mit dem Lederarmband am Handgelenk zu schauen, die er stets trug. »Setz du dich ans Feuer, und ich suche ein Handtuch, mit dem du dich abtrocknen kannst.«
»Ich will nicht.«
Fragend sah er sie an.
»Ich will mich nicht setzen«, erläuterte sie leise.
»Ich war nicht sicher«, sagte er. »Ich versuche nur, mich richtig zu benehmen.«
»Da du nun endlich hier bist«, murmelte sie zärtlich.
»Und vermutlich auch nur um Haaresbreite«, fügte er
Weitere Kostenlose Bücher