Zügel der Leidenschaft
kritischem Blick. »Das klingt aber nicht sehr entschlossen.«
»Das ist es auch nicht«, gab Angela leise zu. »Meine Gefühle befinden sich in völligem Aufruhr.«
»Sei zumindest vorsichtig«, warnte sie Violet. »Brook wird es dir nicht gerade leicht machen. Die Gerüchte über seine Ausschweifungen werden immer schlimmer. Du weißt hoffentlich noch, wie er auf den Klatsch über dich und Joe Manton vor ein paar Jahren reagiert hat.«
»Das werde ich nie vergessen.« Nein, das würde sie nicht – May war die direkte Folge seiner brutalen Gewalt gewesen.
»Er gehört wirklich eingesperrt.«
»Seine Familie würde das nie zulassen. Niemals.«
»Du hast von dem Vorfall in Seven Dials gehört?«
»Dolly hat es mir berichtet. Wie schrecklich für das Mädchen. Er hat in letzter Zeit etwas in seinem Blick ...« murmelte Angela. »Hast du es auch bemerkt? May hat furchtbare Angst vor ihm.«
»Machst du dir auch manchmal Gedanken über den Geisteszustand unserer Eltern, als sie uns verheirateten?« fragte Violet neugierig, und ein leichtes Stirnrunzeln überzog ihr ansonsten so makelloses Gesicht.
»Ich glaube, sie haben in erster Linie eine finanzielle Entscheidung getroffen«, antwortete Angela, die sich im Laufe der Jahre diese Frage wohl ein dutzendmal gestellt hatte. »Die Priorität meines Stiefvaters war, den Grevilles so wenig wie möglich Mitgift zu zahlen. Mutter hatte nur den Gräfinnen-Titel im Sinn und natürlich das Anwesen ... unsere Familie trägt ja bloß den Rang der Viscounts. Und ich war erleichtert, daß ich nicht den bluterkranken Sohn der Königin heiraten mußte. Sie hatte sich die Verbindung nämlich in den Kopf gesetzt.«
»Während ich bloß dachte, daß Dudley immer so nett lächelt.«
Angela zuckte die Achseln. »Was weiß man schon mit siebzehn?«
»Nichts, was wir heute wissen, Liebling, daher laß dich nicht wieder von einem charmanten Lächeln einwickeln. Du weißt, wie sehr ich dir Glück wünsche – der Himmel weiß, wie sehr ich mir selbst mehr Glück wünsche –, aber von allen Männern ist Kit Braddock nicht gerade derjenige, Schatz, der dir das bieten kann. Mehr will ich nicht sagen. Ich will nur nicht, daß dir von einem Schurken mit schlechtem Ruf noch einmal so brutal wehgetan wird.«
»Ich weiß«, entgegnete Angela leise. »Ich habe gründlich über alles nachgedacht. Mach dir keine unnötigen Sorgen, ich werde mein Herz nicht einfach auf dem Präsentierteller darbieten wie ein dummes Ding.«
»Dann kann ich nur sagen, genieß deinen Spaß«, riet ihr Violet mit verschmitztem Grinsen. »Ich bin sicher, als Liebhaber ist er äußerst kompetent. Laß dich nur nicht von ihm in seinen Harem stecken.«
»Nein.«
Sie gab das Ausmaß ihrer Gefühle für Kit nicht preis – und begriff sich selbst nicht mehr.
»Er wird dich heute nacht vermutlich wieder wach halten«, murmelte Violet schelmisch und voller Anzüglichkeit.
Angela lächelte. »Das hoffe ich aber.«
»Dann wirst du morgen sehr müde sein, Liebling, und hast dann immer noch das Haus voller Gäste. Warum ziehst du dir nicht einfach eine leichte Sommererkältung zu?« schlug sie vor. »Nichts Ernstes, aber schlimm genug, daß du dir tagsüber Ruhe gönnen mußt.«
»Vielleicht geht es auch so, Violet. Nur noch ein Tag, und dann sind alle wieder fort.«
»Immerhin hat ihn diese unangenehme Göre Priscilla nicht bekommen.«
»Ich bin sehr froh für ihn«, sagte Angela leise. »Sie hätte ihn nicht sehr glücklich gemacht.«
»Sie wird niemanden glücklich machen, es sei denn, jemand möchte ausschließlich über sie sprechen – ihre Kleider, ihre Frisuren ...«
»... ihr wunderbares künstlerisches Talent«, murmelte Angela mit gespielter Geziertheit. »Aber eine Ehe wird auch ihr nicht bieten, was sie will«, fuhr sie mit gedämpfter Stimme fort. »Weder du noch ich wußten in diesem Alter genug, um uns gegen unsere Familien zu wehren.«
»Als hätte das etwas genützt! Sie hätten uns so lange eingesperrt, bis wir zugestimmt hätten.« 14
»Kennst du irgend jemanden, der wirklich glücklich ist?« fragte Angela leise. 15
»Wie sind wir nur auf ein so melancholisches Thema gekommen? Ich kenne natürlich niemanden. Und du bestimmt auch nicht.«
Ein kleines Lächeln huschte über Angelas Gesicht, wie sie da in ihrem gerüschten Nachmittagskleid auf der Chaiselongue lag. »Ich werde ihn daher ungeheuer genießen, Violet – solange es dauert.«
»Das solltest du auch. Kit Braddock kommt mir nicht
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