Zügel der Leidenschaft
sie sehr geliebt haben, denn er hatte in seinen Sarkophag die Worte einmeißeln lassen: ›Ich freue mich auf unser Wiedersehen.‹
Kit umarmte Angela einen Moment lang in dem kühlen Raum und dachte daran, wie kurz das Leben war, wie wenig Zeit man in dem großen Kontinuum der Menschheit hatte, bis Pläne, Hoffnungen und Träume keine Rolle mehr spielten.
»Sie haben einander geliebt, nicht wahr?« fragte sie leise zu ihm hochgewandt.
»Wie wir«, murmelte er und umfaßte sie fester. »Aber sollten wir so lange leben, wie sie, kann ich dich noch mehrere Jahrzehnte so weiterlieben.«
»Ich bin nur mit dir glücklich.«
Er nickte und dachte, wie unvorhersehbar ihre erste Begegnung auf der Terrasse des Yachtclubs gewesen war – fast wäre er fortgegangen ...
In diesem Moment in der kleinen Kirche, die schon so lange hier stand, umhüllt vom gedämpften Licht der bunten Fenster, fühlte sie sich mit dem Ritter und seiner Gattin verwandt – in ebenso starker Liebe miteinander verbunden, voller Hoffnung und Freude, dankbar im Schatten der alten Gräber, daß sie einander gefunden hatten.
Doch dann rannte May zu ihnen und rief aufgeregt, daß draußen auf einem Grabstein ein Falke säße – und die Außenwelt meldete wieder ihre Ansprüche an.
»So ein stilles Kind«, neckte Kit, der Mays kleiner Gestalt nachblickte, die nun wieder hinausrannte.
»Sie braucht jemanden wie dich, wenn sie erwachsen ist. Nicht jemanden, der zurückhaltende, bescheidene Frauen vorzieht.«
»Ich mag aber bescheidene, zurückhaltende Frauen.«
Angela zog die Brauen hoch. »Ach wirklich?«
»Aus sicherem Abstand, hätte ich sagen sollen.«
»Danke«, meinte sie grinsend. »Du bist sehr charmant.«
»Alles nur, um dich glücklich zu machen, Angela.« Sein Lächeln war so hell wie die Sonne.
Dann besichtigten sie den Friedhof, bewunderten zuerst den Falken und dann die anderen Skulpturen, die die Grabmäler schmückten, lasen die Inschriften und verfolgten die Familiengeschichten der kleinen Gemeinde über die Jahrhunderte hinweg.
Anschließend gingen sie ins nahe Dorf zum Mittagessen und setzten sich an einen Tisch auf der Terrasse unter eine riesige, alte Eiche.
Die Bedienung war ein lebhaftes junges Mädchen, das ihnen vieles über die Geschichte des Ortes erzählte, während sie ihnen kaltes Huhn, Rinderbraten und Nierenauflauf vorsetzte. Anschließend gab es frische Äpfel aus dem Obsthain hinter dem Gasthaus, aber auch heißen Apfelkuchen mit frischer Sahne. Dazu tranken sie Becher mit selbstgebrautem Bier. Nach dem Essen brachte sie den Kindern Toffeebonbons. Fitz war nicht sicher, ob er nicht eigentlich zu alt war für ein solches Konfekt, aber die hübsche Kellnerin sagte mit einem herzlichen Lächeln: »Kommen Sie, junger Herr, etwas Süßes würde gut zu Ihnen passen!«
Das machte ihm natürlich Spaß, und er schenkte ihr für ihr Lächeln eine Goldmünze. Sie blieb bei ihnen sitzen und gab Geschichten über den berühmten Ritter und seine Dame zum besten.
»Die Dame war blond, heißt es, so hell wie die schöne Sonne. Wie Ihre Frau und die Kinder«, fügte sie mit einem Blick auf Kit hinzu. »Die Blonden sind in Ihrer Familie eindeutig in der Mehrzahl«, fuhr sie lächelnd fort.
»Vielleicht schlägt das nächste mehr nach mir«, meinte Kit und grinste Angela an.
Diese errötete heftig.
Fitzs Blicke schossen rasch zwischen seiner Mutter und Kit hin und her.
Da sagte May: »Will mehr Toffee«, und beendete eine möglicherweise peinliche Situation.
Später an diesem Abend, als Kit nach oben gegangen war, um Mays fünfte Bitte nach etwas zu trinken zu erfüllen, sagte Fitz zu seiner Mutter in dem kleinen Salon mit dem Fenster zum Obstgarten: »Du solltest eine Scheidung von de Grae erwägen.«
Angela war einen Moment lang sprachlos über diese Bemerkung ihres Sohnes. »So einfach ist das nicht«, gab sie vorsichtig zurück. Es hatte keinen Sinn, Fitz ihre Gründe darzulegen, wenn auch er nicht die Macht hatte, das Verhalten seines Vaters zu ändern.
»Manche Leute lassen sich aber scheiden.«
»Es ist eine Möglichkeit«, erwiderte sie ausweichend. Brook hatte die Kinder, sie selbst und Bertie bedroht, falls sie eine Scheidung beantragte, und daher war dieser Weg in ihrer Vorstellung nur eine ferne Möglichkeit. Sie mußte zu viele Menschen vor der Gewalt und der Rachsucht ihres Mannes schützen.
»Wenn du das machtest, bräuchten wir ihn nie wieder zu sehen«, erklärte Fitz.
»Und das ist eine angenehme
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