Zuflucht Im Kloster
war, kehrte ich zu ihr zurück.
Ich nahm meine Decken und die Kleider, die sie mir gebracht hatte, mit, denn die Steine sind hart und kalt. Ich wollte nur so lange wie möglich mit ihr zusammen sein«, sagte Liliwin einfach. »Wir haben nicht einmal viel gesprochen. Aber dann vergaßen wir, wo wir waren und was sich schickt…«
Cadfael sagte nichts, um ihm zu helfen oder ihn zu trösten, sondern wartete schweigend ab.
»Die ganze Zeit dachte ich nur daran, daß sie von mir gehen würde und ich vielleicht nie mehr mit ihr zusammen sein könnte«, stieß Liliwin verzweifelt hervor, »und ich wußte, daß sie dasselbe dachte. Wir wollten nichts Böses tun, und trotzdem haben wir ein schreckliches Sakrileg begangen. Hier in der Kirche, hinter einem der heiligen Altäre… Wir konnten es nicht aushalten… Wir haben als Liebende beieinander gelegen!«
Es war heraus, er hatte es gebeichtet. Demütig und ergeben erwartete er den Schuldspruch. Er war sogar erleichtert, weil er die Last, die ihn bedrückt hatte, an einen anderen weitergegeben hatte. Aber er hörte keinen Schreckensschrei.
Dieser Bruder ging nicht so verschwenderisch mit Tadel um wie jener andere, der Rannilt zurechtgewiesen hatte.
Cadfael dachte eine Weile nach. Dann fragte er Liliwin ruhig:
»Liebst du dieses Mädchen?«
»Ja, ich liebe sie von ganzem Herzen! Ich will, daß sie meine Frau wird! Aber was bleibt ihr, wenn ich vor Gericht erscheinen muß und verurteilt werde? Und das wollen doch schließlich alle!
Dir dürft niemandem sagen, was hier passiert ist. Sie ist nur ein armes Dienstmädchen ohne Familie, und ihre Aussichten, jemals zu heiraten, sind schon schlecht genug. Ich will nicht, daß sie noch schlechter werden. Vielleicht findet sie einen anständigen Mann, wenn ich…« Er ließ den Satz unvollendet.
Der Gedanke hatte nichts Beruhigendes.
»Ich glaube«, sagte Cadfael, »sie hätte lieber den Mann, für den sie sich bereits entschieden hat. Ihr liebt euch von Herzen, und ich kann mir keinen Ort vorstellen, der zu heilig ist, diese Liebe zu beherbergen. Die Heilige Jungfrau, so heißt es, hat sogar Wunder vollbracht, um die zu schützen, die aus Liebe gesündigt haben. Du magst einige Gebete zu ihr sprechen – das kann nicht schaden. Und mach dir nicht zu viele Sorgen über etwas, das aus einem so großen inneren Druck und ohne jede böse Absicht geschah. Und wie lange«, fragte Cadfael und sah den reuigen Sünder wohlwollend an, »seid ihr dort geblieben? Bruder Anselm hat sich Sorgen um dich gemacht.«
»Wir sind eingeschlafen.« Bei dem Gedanken daran überlief Liliwin erneut ein Schauder. »Als wir erwachten, war es schon dunkel, und es wurde die Komplet gesungen. Und Rannilt mußte im Dunkeln zurück in die Stadt!«
»Und du hast sie gehen lassen?« wollte Cadfael mit gespielter Entrüstung wissen.
»Nein, das habe ich nicht! Wofür haltet Ihr mich?« Liliwin war aufgefahren und ohne nachzudenken in die Falle getappt. Er hatte sich verraten. Mit einem tiefen Seufzer sank er in sich zusammen.
»Wofür ich dich halte?« Die hereinbrechende Dunkelheit verbarg Cadfaels Lächeln. »Du bist vielleicht ein Schelm, aber kein schlimmerer als die meisten. Ein Lügner, wenn es sein muß– aber wer ist das nicht? Du hast dich also hinausgeschlichen und sie nach Hause begleitet. Nun, meine Meinung von dir ist darum nur um so höher. Das muß dich einigen Angstschweiß gekostet haben.«
Und deine Selbstachtung gehörig gestärkt haben, setzte er in Gedanken hinzu.
Mit leiser, trotziger Stimme fragte Liliwin: »Woher wißt Ihr das?«
»Ich sehe es an der Überwindung, die es dich gekostet hat, es abzustreiten. Aus dir wird nie ein wirklich guter Lügner werden, mein Sohn, und je weniger gern du lügst, desto weniger gut gelingt es dir. Ich habe den Eindruck, daß du in den letzten fünf Tagen eine starke Abneigung gegen das Lügen entwickelt hast. Wie hast du es geschafft, ungesehen aus dem Kloster und wieder hinein zu kommen?«
Liliwin faßte sich ein Herz und erzählte ihm, wie er in seinen neuen Kleidern und im Schutz der Gottesdienstbesucher an den Wachen vorbeigekommen war, wie er Rannilt bis zur Haustür gebracht hatte und mit den Knechten, die im Kloster wohnten, wieder zurückgekehrt war. Was unterwegs zwischen ihm und Rannilt vorgefallen war, behielt er für sich und es fiel ihm auch nicht ein, ein Wort über irgend etwas zu verlieren, was ihm sonst noch aufgefallen war, bis Cadfael ihn direkt auf diesen Punkt
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