Zuflucht Im Kloster
gebraucht wird. Jetzt wird er gebraucht.«
Schweigend sah Iestyn sie an, wandte sich so leise, wie er gekommen war, um und lief zum Kloster.
Es war noch nicht sehr spät. Gut die Hälfte der Mönche im Dormitorium war noch wach. Die Erinnerung an die Ereignisse der vergangenen Tage war noch so frisch, daß sie Schwierigkeiten hatten, Schlaf zu finden, und sich unruhig auf ihrem Lager hin und her warfen. Bruder Cadfael, der lange aufgeblieben war und in seiner Kräuterküche getrocknete Blüten zerrieben hatte für einen Absud, den er morgen herstellen wollte, war in das Gebet versunken, das er vor dem Schlafengehen sprach, als der Bruder Pförtner in seine Zelle trat. Er stand sogleich auf und ging leise die Nachttreppe hinunter und durch die Kirche, um mit dem Boten, der am Torhaus wartete, zu sprechen.
»Die alte Dame hat wieder einen Anfall gehabt?« Er brauchte nichts aus seiner Küche mitzunehmen – die wirksamsten Arzneien hatte er bereits ins Haus der Aurifabers gebracht, und Susanna kannte ihre Anwendung. Es war nur die Frage, ob sie in diesem Fall überhaupt noch etwas nützen würden. »Wenn es so schlimm um sie steht, sollten wir keine Zeit verlieren.«
Während sie eilig durch die Klostersiedlung und über die Brücke gingen, stellte er Iestyn einige Fragen.
»Warum ist sie um diese Uhrzeit noch aufgewesen? Und wie ist es zu diesem Anfall gekommen?«
Iestyn hielt mit ihm Schritt und antwortete kurz und einsilbig.
Er war noch nie einer gewesen, der viele Worte machte. »Frau Susanna war noch auf, um eine Aufstellung der Vorräte zu machen, denn sie muß den Haushalt an Frau Margery übergeben. Wahrscheinlich ist Frau Juliana aufgestanden, um zu sehen, wie sie zurechtkam. Als sie den Anfall hatte, stand sie am Kopf der Treppe und stürzte hinunter.«
»Also hatte sie zuerst den Anfall, und dann fiel sie hinunter?«
»So haben es die Frauen erzählt.«
»Die Frauen?«
»Die Magd war dabei und hat es gesehen.«
»Und wie geht es der alten Dame jetzt? Hat sie sich etwas gebrochen? Kann sie sich bewegen?«
»Frau Susanna sagt, es ist nichts gebrochen, aber die eine Körperhälfte ist ganz steif, und ihr Gesicht ist verzerrt.«
Die Wache am Stadttor ließ sie ein, ohne Fragen zu stellen.
Cadfael hatte gelegentlich noch viel später in der Stadt zu tun gehabt, und man kannte ihn. Schweigend gingen sie die steile Hauptstraße hinauf. Die Steigung ließ sie außer Atem geraten.
»Ich habe sie gewarnt«, sagte Cadfael, als sie den Berg hinter sich hatten. »Ihr nächster Anfall würde ihr letzter sein, wenn sie ihren Ärger nicht im Zaum halten würde, habe ich ihr gesagt. Heute morgen schien sie sich und alle anderen gut in der Gewalt zu haben, obwohl erbittert gestritten wurde, aber ich hatte meine Zweifel… Worüber hat sie sich wohl heute nacht so aufgeregt?«
Aber wenn Iestyn auf diese Frage eine Antwort wußte, so behielt er sie für sich. Er war ein schweigsamer Mann, der seine Arbeit tat und sich in nichts einmischte.
Walter wartete ungeduldig, eine Hornlaterne in der Hand, am Durchgang, der auf den Hof führte. Daniel saß in der Halle; er hatte seinen Umhang um sich geschlagen und schien die verschwenderisch brennenden Kerzen nicht zu bemerken. Erst Walter wurde sich, als er die Ankömmlinge ins Haus begleitet hatte, dieser Verschwendung bewußt und blies zwei oder drei Lichter aus. Der Geruch ihrer glimmenden Dochte erfüllte den Raum.
»Wir haben sie in ihr Bett gelegt«, sagte Daniel. Er war unglücklich und bedrückt über diesen Schicksalsschlag, der ausgerechnet jetzt, da sein Glück vollkommen zu sein schien, über die Familie hereingebrochen war. »Die Frauen sind bei ihr.
Geht nur hinauf, Ihr werdet sehnlichst erwartet.« Er folgte Cadfael, denn es zog ihn zu seiner kranken Großmutter, und er würde keine Ruhe finden, bevor diese Krise nicht bewältigt war.
An der Tür zum Krankenzimmer aber verharrte er und wagte nicht einzutreten.
Iestyn war am Fuß der Treppe stehengeblieben. In all den Jahren, in denen er hier arbeitete, war er wahrscheinlich nie im ersten Stock des Hauses gewesen.
In einem kleinen Holzkohleofen, der auf einem großen Stein stand, brannte ein Feuer, und eine kleine Lampe auf einem Bord an der Wand verbreitete Licht. Die oberen Räume hatten keine Decke – man sah direkt in den Dachstuhl hinein, der, wie auch die Wände, aus dunklem Holz bestand. Margery stand stumm und bleich auf der einen Seite des schmalen Bettes und zog sich eilig in den Schatten
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