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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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begleitete sie Bruder Cadfael höflich bis vor die Tür und bedankte sich bei ihm, daß er so rasch gekommen war.
    »Ich weiß, daß sie Euch mehr in Anspruch genommen hat, als ihre Spenden gerechtfertigt hätten«, sagte sie mit leiser Ironie und mit einem leichten, bitteren Lächeln.
    »Das sagt Ihr mir?« erwiderte er und sah, daß sich die Grübchen in ihren Mundwinkeln vertieften. »Ich empfand eine gewisse Hochachtung für sie, fast könnte man es Zuneigung nennen. Nicht daß sie das je von mir gefordert hätte… Und Ihr?«
    Susanna trat die letzte Stufe hinunter. Neben der Treppe kauerte Rannilt, die fürchtete, im Weg zu sein, aber jederzeit schnell zur Hand sein wollte, an der Mauer. Seit Susanna mit einer Kerze aus ihrem Zimmer gekommen war, wo sie, da sie alle Hände voll zu tun hatte, ihren Umhang abgelegt hatte, war Rannilt in ihrer Nähe geblieben, um ihr helfen zu können.
    »Ich bezweifle«, sagte Bruder Cadfael nachdenklich, »daß es in diesem Haus jemanden gibt, der sie auch nur halb so sehr geliebt hat wie Ihr.«
    »Oder halb so sehr gehaßt«, sagte Susanna und hob ihren Kopf. In ihren grauen Augen blitzte es.
    »Liebe und Haß sind oft unzertrennlich«, gab er gelassen zurück. »Ihr braucht Euch deswegen nicht zu schämen.«
    »Das tue ich auch nicht. Ich muß jetzt wieder zu ihr. Das ist meine Aufgabe, und ich werde mich ihr nicht entziehen.« Sie sah sich um und sagte sanft: »Rannilt, nimm Meister Walters Laterne und begleite Bruder Cadfael bis zur Straße. Danach kannst du zu Bett gehen – für dich gibt es jetzt hier nichts mehr zu tun.«
    »Ich würde lieber aufbleiben und mit Euch die Totenwache halten«, sagte Rannilt schüchtern. »Ihr werdet heißes Wasser und Tücher brauchen und jemanden, der Euch hilft, sie aufzurichten, und der Botengänge für Euch macht.« Als ob nicht schon genug auf waren – der Sohn, der Enkel und die Frau des Enkels. Wie sehr mochten sie wohl trauern? Frau Juliana hatte ihre Zeit um einige Jahre überlebt, und nun war ein Mund weniger zu füttern; ganz zu schweigen davon, daß die Familie nun von ihrer spitzen Zunge und ihren scharfen Augen, denen nichts entging, erlöst war.
    »Nun gut«, sagte Susanna und ließ ihren Blick lange auf der kleinen, kindlichen Gestalt ruhen, die im Schatten stand und sie mit großen Augen ansah. Walter hatte alle Kerzen bis auf eine gelöscht, aber unabsichtlich seine Laterne brennen lassen. »Du kannst morgen tagsüber schlafen – bis dahin wirst du dich beruhigt haben und todmüde sein. Komm hinauf, sobald du Bruder Cadfael bis zur Straße gebracht hast. Du und ich, wir werden uns um sie kümmern.«
    »Warst du dabei?« fragte Bruder Cadfael leise, während er dem Mädchen durch den dunklen Durchgang folgte. »Hast du gesehen, wie es geschah?«
    »Ja, ich konnte nicht schlafen. Ihr wart ja heute morgen dabei, als sich alle gegen sie wandten und selbst die alte Frau sagte, daß sie den Haushalt nicht weiterführen soll… Ihr wißt…«
    »Ich weiß, ja. Und sie tat dir leid.«
    »Sie… ist nie unfreundlich zu mir gewesen…« Hätte sie sagen können, Susanna sei gütig zu ihr gewesen, wo ihre Kühle dieses Wort doch gar nicht zuließ? »Es war nicht recht von den anderen, sie so hinauszudrängen.«
    »Und du hast sie beobachtet und belauscht, weil sie dir leid tat. Dann bist du hineingegangen. Wann war das?«
    Sie erzählte es ihm so klar und plastisch, als erlebte sie es noch einmal. Sie erzählte ihm, so gut sie sich erinnern konnte, und das hieß: Wort für Wort, was zwischen Großmutter und Enkelin gesagt worden war, und wie sie den Schrei gehört hatte, der den Anfall der alten Frau angekündigt hatte, in die Halle gestürzt war und gesehen hatte, wie sie keuchte und schwankte und sich ans Herz faßte, die Lampe sinken ließ und schließlich kopfüber die Treppe hinunterstürzte.
    »Und es war niemand in ihrer Nähe? Niemand, der sie hätte stoßen oder festhalten können, da oben an der Treppe?«
    »Nein, niemand. Und bei ihrem Sturz hat sie die Lampe fallengelassen.« Der kleine, feurige Wurm, der das Ende des Seils erfaßt hatte, schien Rannilt unbedeutend zu sein und mit dem, was geschehen war, nichts zu tun zu haben. »Und dann war es dunkel, und Frau Susanna sagte, ich solle mich nicht vom Fleck rühren, und holte eine Kerze.«
    Dann war es also ganz sicher, daß sie gestürzt war. Es hatte sie niemand gestoßen – die einzigen Zeugen hatten unten in der Halle gestanden. Und wenn sie Juliana nicht sofort

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