Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
rettete, hatte an einer seichten Stelle des Flusses eine Münze gefunden. Daran war eigentlich nichts Besonderes. Im Severn konnte man alle möglichen Dinge finden, Seltsameres als eine verlorene Münze.
    Das Bemerkenswerte war nur, daß dieses Geldstück ausgerechnet an dieser Stelle aufgetaucht war. Im Haus der Aurifabers hatten sich so viele merkwürdige Vorfälle ereignet, daß man einen solchen Fund nicht als normal oder zufällig abtun konnte. Welche Schlüsse man aber aus diesen Ereignissen, die scheinbar nichts miteinander zu tun hatten, ziehen sollte, wußte Cadfael bis jetzt auch nicht.
    Er begab sich wieder zu seinen Setzlingen – wenigstens sie umgab kein Geheimnis – und arbeitete den Rest des Nachmittags, bis es Zeit wurde, zum Vespergottesdienst ins Kloster zurückzukehren. Bis dahin war es jedoch noch eine gute halbe Stunde, als er vom Fluß her seinen Namen rufen hörte, sich umwandte und sah, daß Madog gegen die Strömung ruderte und auf das Ufer zukam, an dem Cadfael stand. Er hatte sein kleines Bötchen mit einem Ruderboot vertauscht, das sich, wie Cadfael plötzlich einfiel, hervorragend dazu eignete, einen neugierigen Klosterbruder über den Fluß zu bringen, damit er die Stelle, wo der Junge die so leichtfertig verschmähte Münze gefunden hatte, selbst in Augenschein nehmen konnte.
    Madog legte am Ufer an und hielt das Boot mit einem Ruder, das er in den weichen Schlamm gebohrt hatte. »Nun, Bruder Cadfael, die alte Dame ist gestorben, wie ich höre. Diese Familie scheint Schicksalsschläge ja geradezu anzuziehen.
    Man sagt, Ihr wärt bei ihr gewesen, als sie starb.«
    Cadfael bestätigte das. »Wenn jemand mit über achtzig Jahren stirbt, würde ich das allerdings kaum als einen Schicksalsschlag bezeichnen. Aber es stimmt: Sie ist tot. Kurz vor Mitternacht ist sie gestorben.« Ob sie es mit einem Segen oder mit einem Fluch oder in dem grimmigen Bewußtsein getan hatte, daß sie ihre Familie, ob sie sie nun liebte oder nicht, bis zum letzten Atemzug beherrscht und verteidigt hatte, wußte er selbst nicht. Denn sie hätte sprechen können, hatte aber nur das gesagt, was sie für ratsam hielt, und das war nichts gewesen, was zur Klärung beigetragen hatte. Auf den Streit zwischen Margery und Susanna, der doch gewiß bedeutsam gewesen war, war sie jedenfalls mit keinem Wort eingegangen.
    Über wen ein Urteil gesprochen werden mußte und wer Grund zur Reue hatte, das war allein ihre Sache und ging einen Außenstehenden nichts an. Und doch hatte sie mit voller Absicht jene wenigen, geheimnisvollen Worte gesprochen, und zwar zu ihm, ihrem Gegner, Arzt und Freund – oder war Freund ein zu starkes Wort? Dem Priester hatte sie nur mit Bewegungen ihrer Augen geantwortet, die ja und nein sagten, hatte ihre Sünden bekannt, ihre Reue erklärt und um Absolution gebeten. Aber dabei hatte sie kein Wort gesprochen.
    »Sie hat Zwietracht zwischen ihnen gesät«, sagte Madog und machte ein wissendes Gesicht. Auf seinem wettergegerbten Gesicht breitete sich ein schiefes Lächeln aus. »Wann wären sie sich je einmal einig gewesen? Geiz ist eine zerstörerische Sache, Cadfael, und sie hat sie alle nach ihrem eigenen Bild geformt. Sie alle wollen nur nehmen, aber nicht geben.«
    ›Ich habe sie alle erzogen‹, hatte sie gesagt, als wollte sie damit eine Schuld zugeben, die ihre Augen dem Priester nicht enthüllt hatte.
    »Madog«, sagte Cadfael, »rudert mich hinüber zu ihrem Garten an der anderen Seite des Flusses. Ich werde Euch unterwegs erzählen warum. Der Obstgarten dort drüben, unterhalb der Stadtmauer, gehört ihnen. Ich würde mich dort gern ein wenig umsehen.«
    »Aber gern!« Madog stieß das Boot noch näher ans Ufer heran. »Ich habe nämlich den ganzen Fluß unterhalb der Schleuse, wo Peche sein Boot aufbewahrte, abgesucht und versucht, jemanden zu finden, der ihn nach Montag morgen noch gesehen hat – ohne Erfolg. Und ich bezweifle, daß Hugh Beringar bei den Leuten, die Peche kannten, und in den Wirtschaften, in denen er Stammgast war, mehr Glück gehabt hat. Also, steigt ein und haltet Euch gut fest! Mit zwei Leuten an Bord wird es etwas ungemütlich werden.«
    Cadfael kletterte die Uferböschung hinunter, stieg gewandt in das Boot und setzte sich. Madog stieß ab und lenkte den Bug auf das andere Ufer zu. »Nun? Was interessiert Euch da drüben so?«
    Cadfael sagte ihm, was er gesehen hatte, und beim Erzählen fiel ihm auf, daß der Vorfall auch recht unbedeutend gewesen sein könnte.

Weitere Kostenlose Bücher