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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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Mr. Ishida nun nichts mehr sehen konnte. Ich streckte die Hand hastig nach dem Griff der Beifahrertür aus. Da spürte ich etwas Scharfes und zuckte vor Schmerz zurück.
    »Vorsicht. Ich könnte Ihnen ohne weiteres die Halsschlagader durchtrennen«, murmelte Wajin, während er mir die Hände mit einem Stück Schnur hinter dem Rücken zusammenband. Als er damit fertig war und sich Mr. Ishida zuwandte, drückte ich meine gefesselten Hände fest gegen die Rückenlehne des Sitzes, um die Blutung zu stoppen. Ich dachte an Yoko Maeda und fragte mich, ob sie je erfahren würde, was mit mir passiert war.
    »Nun, Großvater, Sie erlauben.« Wahrscheinlich fesselte Wajin nun auch Mr. Ishida die Hände.
    »Lassen Sie ihn um Himmels willen laufen«, sagte ich. »Ishida-san ist vierundsiebzig Jahre alt. Er stellt keine Bedrohung für Sie dar, und wenn er einen Herzinfarkt erleidet, müssen Sie sich um ihn kümmern.«
    »Wissen Sie, über natürliche Todesursachen mache ich mir eigentlich keine Gedanken. Aber wo haben Sie denn Ihr kleines Telefon? Das haben Sie doch immer dabei, oder?«
    Das Telefon lag im Schließfach des Tokyo National Museum. Das sagte ich ihm, doch er wollte mir nicht glauben, zog grob die Zen-Robe hoch und tastete mich ab. Diesmal war nichts Magisches an seiner Berührung. Ich zuckte zusammen, beherrschte mich aber, als mir das Messer wieder einfiel.
    Schließlich ließ Wajin noch etwas anderes über meinen Kopf gleiten. Der Größe und Starrheit des Materials nach zu urteilen, war es die Maske vom Tanabata-Fest.
    »Ich habe mir die Freiheit genommen, die Fuchsmaske mitzubringen, die Sie im Teehaus zurückgelassen haben. Und der alte Mann trägt die Bärenmaske. Ganz schön wild, neh? Wenn wir so auf dem Tempelgelände herumfahren, werden alle denken, daß Sie noch vom Fest kommen.«
    »Das Fest war vor zwei Tagen. Die Masken werden den Leuten sehr merkwürdig erscheinen.«
    »Nun, das Tanabata-Fest wird in Kamakura eine ganze Woche lang gefeiert. Es gibt eine ganze Menge Touristen, die immer noch mit einem Kostüm herumlaufen. Spitzen Sie die Ohren, dann hören Sie sie.«
    Ich hörte das knirschende Geräusch des Motors, Stimmengemurmel und die Rufe eines Verkäufers, der Tintenfischbällchen feilbot. Vermutlich waren wir also auf dem Hauptweg. Wohin brachte er uns? Wahrscheinlich zum Haus der Mihoris.
    Der Wagen bewegte sich über die glatten Bachkiesel, die ich ebenfalls schon unter meinen Füßen gespürt hatte. Dann kam ein Feldweg; ziemlich sicher fuhren wir auf Akemis Laufpfad. Ich versuchte den Weg weiter zu verfolgen, gab meine Bemühungen aber schon wenige Minuten später wieder auf. Ich merkte, daß der Wagen sich über unebenen Boden kämpfte. Wir verließen das Tempelgelände und waren auf dem Weg in die Hügel, vor denen Akemi mich gewarnt hatte, da war ich mir ziemlich sicher.
    »Sind Sie in meine Wohnung eingebrochen?« rief ich in Richtung Vordersitz.
    »Ich habe den Schlüssel in Nanas Handtasche gefunden. Aber als ich mir die tansu in Ihrer Wohnung genauer angesehen habe, mußte ich feststellen, daß die Schriftrolle verschwunden war. Ich habe überall danach gesucht und wollte Sie zwingen, mir zu sagen, wo sie ist, aber da ist Ihr Freund heimgekommen. Deswegen habe ich mein Vorhaben unterbrechen müssen.«
    Als der Wagen in ein Loch fuhr, rollten Mr. Ishida und ich gegeneinander. So leise, daß ich es fast nicht hörte, sagte er: »Sprechen Sie nicht. Behalten Sie das Geheimnis für sich, dann bleiben Sie am Leben!«
    Wenn es mir gelang, Wajin davon zu überzeugen, daß ich nach Tokio zurück mußte, um die Schriftrolle zu holen, konnte ich vielleicht entkommen. Ich hatte bereits mehrere Fluchtmöglichkeiten versiebt. Zum Beispiel hatte ich nach der Wagentür gegriffen, die Hand aber zurückgezogen, als ich den Schnitt spürte. Und als wir auf dem Tempelgelände herumgefahren waren, hätte ich einfach schreien sollen. In den Bergen würde mich niemand mehr hören. Meine einzige Chance dort bestand darin wegzulaufen, aber mit verbundenen Augen und gefesselten Händen war das unmöglich. Außerdem wäre Mr. Ishida nicht in der Lage, mit mir Schritt zu halten.
    Der Wagen hielt. Wajin stieg aus und öffnete meine Tür.
    »Darf ich die Maske abnehmen? Mir ist schlecht.« Ich wollte wissen, wohin er uns gebracht hatte.
    »Ja, das Atmen in dieser Hitze fällt mir schwer«, pflichtete mir Mr. Ishida bei.
    »Die Dunkelheit wird Ihnen helfen, sich zu konzentrieren. Rei hatte heute bei der

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