Zuflucht im Teehaus
altmodische Dinge und die Tradition. Und die Brise aus dem Garten ist sehr erfrischend«, erwiderte ich und deutete dabei auf die geöffneten Fenster auf beiden Seiten des Raumes. An einer Wand stand ein goldgeschmückter buddhistischer Schrein mit zwei strengen Schwarzweißfotos von einem älteren Mann im Anzug und einer Frau in einem Kimono, wahrscheinlich Mrs. Mihoris tote Eltern.
»Miss Tanaka wird uns einen Fächer bringen. Sie trinken doch mugi-cha ,oder?« Meine Gastgeberin goß kalten Gerstentee für mich in eine dunkle, irdene Tasse.
»Dieser Tee ist viel besser als der, den ich selbst zu Hause habe. Wo haben Sie ihn denn gekauft?« erkundigte ich mich, nachdem ich einen Schluck getrunken hatte.
»In einem Teeladen neben der Kamakura Station. Sie haben ihn sicher schon gesehen«, erklärte mir Miss Tanaka, die den Raum gerade mit einem kleinen elektrischen Fächer betreten hatte. Ich fragte mich, wie lange sie schon vor der Tür gestanden und gelauscht hatte.
»Ja, ich glaube, ich kenne den Laden. Sind die anderen Tees, die man dort kaufen kann, genauso gut?« fragte ich in der Hoffnung, Miss Tanaka damit eine Freude zu machen.
»Ja, sie sind alle von allerbester Qualität. Ich kaufe den ganzen Tee für meine Herrin dort, auch die spezielle macha- Mischung, die sie für die Teezeremonie verwendet.«
»Ich wußte gar nicht, daß Sie die Teezeremonie durchführen«, sagte ich zu Nana Mihori, als wir wieder allein waren.
»Ja, ich bin seit Jahrzehnten in der örtlichen Teegesellschaft. Nächste Woche werde ich sogar an einer Tagung von Teemeistern teilnehmen. Darauf freue ich mich schon. Aber wahrscheinlich findet eine junge Frau wie Sie Tee langweilig.« Nana Mihori strich eine Haarsträhne zurück, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte.
»Ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit, die Teezeremonie zu erlernen, ohne eigens einen Kurs zu besuchen.« Ich hatte vor, die nächsten Jahre in Japan zu verbringen; deswegen mußte ich mir allmählich aneignen, wie man die feinen Teeblätter richtig mit heißem Wasser verrührte und dann seinen Gästen kredenzte – meinte jedenfalls meine Tante.
»Vielleicht könnte ich Ihnen Privatunterricht geben. Schließlich haben Sie meinen Auftrag mit der tansu so wunderbar erledigt.« Mrs. Mihori lächelte mich an, um mir zu signalisieren, daß sie nun bereit war, übers Geschäft zu reden.
»Ich muß Ihnen da etwas erklären«, begann ich.
»Bevor Sie weiterreden, möchte ich Ihnen zeigen, an welchen Platz ich die tansu stellen will. Ich glaube, Sie werden überrascht sein.« Nana erhob sich und strich ihren matt malvenfarbenen Kimono glatt.
»In den Eingangsbereich? Ins Wohnzimmer?« versuchte ich zu raten, doch Nana schüttelte lächelnd den Kopf. Da fiel mir ein, daß nur Ausländer ihre alten tansu gern im Eingangsbereich aufstellten, während Japaner sie lieber im Schlafzimmer hatten, wo sie traditionell hingehörten.
»Hier schläft der zweite Klostervorsteher, mein Neffe Kazuhito. Er weiß Antiquitäten bereits sehr zu schätzen.« Mrs. Mihori schob die Tür zu einem traditionell eingerichteten Raum mit tatami auf dem Boden auf. Es gab kein Bett darin; vermutlich war im Schrank ein aufgerollter Futon. Ich war verblüfft, wie leer alles war. In dem Raum stand lediglich eine große Sendai -tansu ,und darüber hing eine Zen-Schriftrolle.
»Sehen Sie, wie anders das Zimmer meiner Tochter ist!« sagte Mrs. Mihori und öffnete die nächste Tür. Dahinter verbarg sich ein Durcheinander aus Habseligkeiten. Die so männlich wirkende Akemi schlief zu meiner Überraschung in einem Himmelbett mit geblümter Bettwäsche. An den Wänden hingen Auszeichnungen, Fotos und alte Zeitungsausschnitte – alles Erinnerungen an ihre Vergangenheit als erfolgreiche Sportlerin.
»Sie sollte wirklich mal aufräumen«, sagte Nana Mihori und bat mich in den Raum. »Ich wollte die tansu hier hereinstellen, neben das Bett.«
»Die Sache mit der tansu – es könnte da eine kleine Verzögerung geben.«
»Wollen Sie sie noch polieren? Ich dachte, sie ist in bestem Zustand.« Mrs. Mihori hob die kunstvoll nachgezogenen Augenbrauen.
»Ihr Zustand war sogar zu gut. Ich bin da auf ein Problem gestoßen.« Tja, nun war es heraus.
»Zweifeln Sie nicht an Ihrem Urteil, Rei-san!« versuchte Nana mich zu beruhigen. »Ihre Tante hat mir von Ihrem letztjährigen Verkauf an ein Museum erzählt. Wer es schafft, Antiquitäten zu finden, die gut genug für ein Museum sind, ist sicher auch in
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