Zuflucht im Teehaus
geredet hat.«
»Ach, dann war das sicher Jun Kuroi. Sonst noch jemand?«
»Tja …« Angus schwieg eine Weile. »Dann war da noch so ein Typ, der hatte ’nen Akzent, der war unglaublich.«
Mohsen. Den mußte ich in Ameyoko Alley besuchen. »Danke, Angus. Dann verabschiede ich mich mal.«
»Willst du denn gar nicht wissen, wie’s mir geht?«
»Ich weiß, daß Lieutenant Hata in der Sache mit den Telefonkarten nichts unternommen hat. Weißt du überhaupt, was du für ein Glück hast? Du solltest dich mal informieren, wie’s in japanischen Gefängnissen zugeht.« Etwa vierzig Kilometer weit von seinem spöttischen Gesicht entfernt hatte ich keinerlei Skrupel, ehrlich zu ihm zu sein.
»Tja, jetzt wo der Bulle meine Telefonkarten hat, kann ich meine Freunde im Ausland nur noch von dem Apparat in der Wohnung aus anrufen. Ich kann mir schon vorstellen, wie du zetern würdest, wenn du da wärst.«
»Klingt ganz so, als ob du mich vermißt«, sagte ich.
»Na ja, du bist immer noch besser als die neue Freundin von Hugh, dieses Miststück von oben …«
Winnie Clancy? Ich war so schockiert, daß mir der Hörer aus der Hand fiel. Als ich ihn wieder fest im Griff hatte, sagte ich: »Aber Winnie ist doch verheiratet.«
»Das ist kein Hindernis für sie. Sie kommt jeden Abend zum Essen. Es gibt die ganze Zeit Fleisch – wir haben beide ganz schön zugenommen in den paar Tagen. Wie’s Shug geht, weiß ich nicht, aber ich hab fürchterliche Verstopfung.«
»Erzähl mir bloß nicht, daß du Veganer werden willst.« Ich versuchte, mich auf die komische Seite zu konzentrieren und nicht daran zu denken, daß Winnie meinen Platz eingenommen hatte.
»Das habe ich nicht gesagt! Ich würde nur vorschlagen, daß du hin und wieder zum Essen vorbeischaust. Und hinterher dableibst. Winnies Arsch bohrt langsam ein Loch ins Sofa, und wenn das so weitergeht, landet sie irgendwann auch noch im Bett.«
»Verstehe. Aber das ist unmöglich – die Sache zwischen mir und Hugh ist aus.«
»Ich hätte nicht gedacht, daß du so leicht aufgibst.«
Angus’ Worte klangen mir noch im Ohr, als ich wütend über Hugh und mich selbst auflegte.
Nachdem ich Nachrichten auf allen fünf Anrufbeantwortern von Jun Kuroi hinterlassen hatte, bestellte ich mir in dem Crêpe-Lokal, in dem ich mit Mrs. Kita gegessen hatte, einen Zucker-Zitronen-Pfannkuchen und einen Kaffee. Die Frau mittleren Alters, die die Crêpes in einer riesigen Pfanne zubereitete, lächelte mich an, als wisse sie, wie lange ich schon auf etwas zu essen wartete. Ich lächelte zurück. Das Koffein und der Zucker würden mir die nötige Energie zum Arbeiten geben.
Ich machte einen kurzen Rundgang durch die Antiquitätenläden in der Stadtmitte. Die Händler zeigten alte Schriftrollen nur ungern her, weil sie das empfindliche Papier dann aus seinem hübschen Holzbehälter holen und aufrollen mußten, ohne es zu beschädigen. Und hinterher mußten sie es wieder zusammenrollen. Ich informierte mich hauptsächlich über die Preise von Schriftrollen aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert.
Ich beschrieb der Inhaberin von Maeda Antiques, einem kleinen Laden ein bißchen weiter nördlich, in dem ich schon mehrfach Holzschnitte gekauft hatte, meine Situation. Statt ihre Stücke auseinanderzurollen, zeigte Mrs. Maeda mir eine ordentliche Fotomappe von ihren Schriftrollen. So verlor keiner von uns unnötig Zeit.
»Wer weiß, vielleicht finde ich hier genau das richtige. Außerdem bin ich ja auch für meine anderen Kunden immer auf der Suche nach schönen Stücken.«
»Wenigstens sagen Sie ehrlich, was Sie wollen«, meinte Mrs. Maeda. »Nicht wie so manch anderer.«
»Tatsächlich?« Ich hörte auf, in dem Ordner zu blättern.
»Nun, es gibt Tempelfamilien, die zu mir kommen und behaupten, unsere Zen-Schriftrollen und Reliquien gehörten ihnen.«
»Viele religiöse Reliquien stammen ja tatsächlich aus den Tempeln. Was wollen die Leute von Ihnen? Sollen Sie die Sachen zurückgeben?«
»Manche Händler machen das aus Angst. Schließlich will es sich niemand mit Buddha verscherzen.« Sie verzog das Gesicht. »Oder mit der Frau eines Klostervorstehers. Als die Dame zu mir gekommen ist und behauptet hat, eine von meinen Schriftrollen sei Diebesgut, habe ich sie gebeten, mir Versicherungsunterlagen oder andere Beweise zu zeigen, daß die Rolle tatsächlich ihrer Familie gestohlen worden sei. Natürlich konnte sie mir nichts vorlegen.«
Ich mußte an Nana Mihoris riesiges Haus
Weitere Kostenlose Bücher