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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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politischen Willensbildung nimmt ab, weil die Älteren inzwischen besser organisiert sind als die Jüngeren. Der Sozialverband VdK hat 1,5 Millionen Mitglieder, überwiegend Leute über 55 oder über 60. Die bringen inzwischen eine Vetomacht auf die Waagschale wie keine einzige vergleichbare Gruppierung von Menschen, die zwischen 20 und 35 sind. Die Jungen organisieren sich auch nicht. Sie sind beschäftigt mit ihrer beruflichen oder akademischen Ausbildung, sie sind damit beschäftigt, sich in einen Job zu finden, eine Familie zu gründen, Kinder aufzuziehen, sich eine Aufstiegsperspektive zu erarbeiten. Und geraten zunehmend ins Hintertreffen gegenüber diesen teilweise sehr harsch auftretenden Vertretern von Gegenwartsinteressen.
    Ich habe in einem Interview vor ungefähr drei Jahren mal gesagt, der heutigen Rentnergeneration gehe es insgesamt so gut wie keiner Rentnergeneration zuvor, was statistisch unabweisbar richtig ist. Ich will damit keineswegs unterschlagen, dass einige ältere Frauen und Männer, insbesondere Witwen, zurechtkommen müssen mit der sehr kargen Rente in der Grundsicherung, aber das ändert nichts an der Richtigkeit meiner Aussage. Eine Berliner Boulevardzeitung mit zwei Buchstaben machte daraufhin an einem Samstag in vier Zentimeter großen Lettern auf: Steinbrück beleidigt die Rentner. Daraufhin kriegte ich einen Postschub und E-Mails, die derart getragen wurden von Wut und Empörung, wie ich das kaum für möglich gehalten habe. Ich habe mich gefragt, was wohl passiert wäre, wenn ich den Satz, der mir auf der Zunge lag, noch hinzugefügt hätte: Die Wahrscheinlichkeit, dass es zukünftigen Rentnergenerationen noch mal so gut geht wie der heutigen Rentnergeneration, ist eher gering. Dann hätte ich wahrscheinlich Polizeischutz gebraucht.
    Schmidt:   Ich glaube, in einem Punkte sind Sie zu weit gegangen. Ich glaube nicht, dass zukünftige Generationen von Rentnern in Deutschland einen Lebensstandard haben werden, der geringer ist als der Lebensstandard der heutigen Rentner. Ich halte es für unausweichlich, dass der technologische Fortschritt anhält, weil niemand die Wissenschaft anhalten kann und anhalten will, dass deswegen auch der Lebensstandard insgesamt ansteigen wird und dass sich das auch, vielleicht in etwas geringerem Maße, den Rentnern mitteilen wird. Ansonsten stimme ich Ihnen aber zu.
    Steinbrück:   Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass allein die umlagefinanzierte Rente, also die gesetzliche Rentenversicherung, in einigen Jahrzehnten nur noch schwerlich eine auskömmliche Versorgung im Alter garantieren kann. Das heißt, die Rentenzahlungen aus diesem Versicherungssystem werden, gemessen am letzten Einkommen, absinken. Es sei denn, der Anteil der gesetzlichen Rente, der aus dem Bundeshaushalt finanziert wird, steigt.
    Man wird sich als Politiker bereits jetzt darum kümmern müssen, dass die nachkommenden Generationen sich auch auf andere Säulen verlassen können, um ein würdiges Leben im Alter führen zu können. Dazu gehören die Mitgliedschaft in einem betrieblichen Versorgungssystem, eine kapitalgedeckte Zusatzversicherung – hier hat sich Walter Riester enorme Verdienste erworben mit der staatlich geförderten Riester-Rente – und nicht zuletzt, wenn es irgend möglich ist, die Förderung eines mietfreien Wohnens im Alter. Das sind die vier Säulen der zukünftigen Altersversorgung, die nicht mehr allein auf eine Säule bauen kann. Sie haben selbst gesagt, dass die Rentenbezugsdauer allein in den letzten dreißig Jahren von zwölf auf über achtzehn Jahre hochgegangen ist. Dieser Prozess geht weiter, und damit wird das Versicherungssystem der gesetzlichen Rentenversicherung immer weiter belastet.
    Schmidt:   Augenblick! Das ist alles richtig. Aber ich unterstelle, dass der grundlegende Ansatz der Agenda 2010 in die Wirklichkeit überführt werden wird. Ich glaube, dass die Zeit vorbei ist, wo man mit 62 oder 63 im Durchschnitt in Rente geht.
    Steinbrück:   Dem stimme ich zu.
    Schmidt:   Ich glaube, dass die Lebensarbeitszeit an beiden Enden verlängert werden muss. Das Berufseintrittsalter muss runter, und das Renteneintrittsalter muss rauf. Es darf wieder zurückkehren zum 65. Lebensjahr, etwas später darf es dann auf 66, auf 67 heraufgesetzt werden. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass jemand in passablem gesundheitlichen Zustand auch noch mit 70 arbeitet. Ich arbeite noch mit 92. Und es geht mir deswegen besser, als wenn ich keine Arbeit

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