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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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hätte.
    Steinbrück:   Das sieht man. Das Plädoyer für ein früheres Berufseintrittsalter – jedenfalls das Ziel, dem Trend eines immer späteren Berufseintrittsalters entgegenzuwirken – bringt uns beide allerdings in Verlegenheit mit einer Maßnahme, die wir beide für richtig erachten, nämlich in Deutschland eine Art Pflichtjahr für junge Frauen und Männer einzuführen, ein Jahr, in dem sie einen freiwilligen Dienst am Gemeinwesen leisten. Das Pflichtjahr wäre übrigens auch ein notwendiges Resultat aus den Fehlentscheidungen, die es im Zusammenhang mit der Suspendierung der Wehrpflicht und den damit verbundenen Auswirkungen auch für die Zivildienstleistenden gegeben hat. Wie katastrophal vorbereitet diese Entscheidung war und welch unabsehbare Folgen sich daraus ergeben, sehe ich bei jedem Besuch eines örtlichen Krankenhauses, eines Pflegedienstes oder in der Betreuung von Behinderten. Die Folgen auch für den Zivildienst, die mit dieser Entscheidung des früheren Verteidigungsministers ausgelöst worden sind, sind unabsehbar und dramatisch.
    Schmidt:   Auch mit dramatischen Folgen für das, was man früher unter dem zivilen Bevölkerungsschutz verstand. Katastrophenschutz, Technisches Hilfswerk, Feuerwehr, all diese Dienste waren personell deswegen relativ gut ausgestattet, weil es die Wehrpflicht gab und weil diese Dienste zu Lasten der Wehrpflicht gingen. Vor allem konnte ein Wehrpflichtiger sich für den Zivildienst entscheiden, infolgedessen gab es genug Zivis. Und nicht nur in den Krankenhäusern und Pflegeheimen. Was passiert, wenn wir zum Beispiel eine große Naturkatastrophe haben in Deutschland?
    Darüber habe ich neulich mit Herrn de Maizière gesprochen. Es ging um den Grundsatz, den Herr Guttenberg und Herr Weise, der Chef der Bundesagentur für Arbeit, verfochten haben, nämlich »vom Einsatz her denken«. Über diesen Grundsatz sprachen wir. Und ich habe zu Herrn de Maizière gesagt: Der erste Einsatz der Bundeswehr in ihrer Geschichte war der Einsatz während der norddeutschen Flutkatastrophe – die hat Hunderte von toten Zivilisten gekostet und auch ein paar tote Soldaten. Die Bundeswehr war auf einen solchen Einsatz nicht eingestellt, aber ihr Einsatz war unvermeidlich notwendig, sonst hätte es zehntausend Tote gegeben; die Leute, die da auf den Dächern ihrer Häuser saßen, von Wasser umgeben, wären zu Tode erfroren. In Amerika erleben wir am laufenden Band schwere Naturkatastrophen. In Deutschland sind sie relativ selten, aber sie können passieren. Die Vorbereitung auf eine Naturkatastrophe oder eine technische Katastrophe – wir müssen nicht gleich an Fukushima denken – ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten, wie mir scheint, vernachlässigt worden und wird jetzt durch die abrupte Aufhebung der Wehrpflicht noch weiter geschwächt.
    Steinbrück:   Ein Pflichtjahr müsste nicht unbedingt zwölf Monate sein. Aber ich will auch darauf hinweisen, dass diejenigen, die davon mehr verstehen als ich, mit Blick auf die Zivildienste sagen, sechs Monate seien zu kurz. Es hat keinen Sinn, jemanden drei Monate lang einzuweisen und auch auszubilden für eine solche Tätigkeit und ihn dann nur drei Monate zu haben. Das heißt, ich rede konkret über einen Dienst von neun Monaten, den ich für richtig halten würde, auch damit diese jungen Frauen und Männer Erfahrungen machen im Dienst an der Gemeinschaft. Deshalb würde ich auch sehr dafür plädieren, dass sie den Dienst in ihren jeweiligen Kommunen leisten. Und ich halte überhaupt nichts davon, dies zu diskreditieren mit dem Hinweis darauf, das hätten die Nazis so ähnlich zwischen 1933 und 1945 auch schon gemacht. Ich hielte es für richtig, dass alle jungen Frauen und Männer zwischen 17 oder 18 und 21 oder 22 Jahren sich neun Monate für die Gemeinschaft einsetzen sollten an Plätzen ihrer Wahl.
    Schmidt:   Ich habe einen solchen Vorschlag mehrfach unterbreitet, wobei ich immer von sechs Monaten gesprochen habe. Wenn ich jemanden drei Monate ausreichend ausgebildet habe, der anschließend drei weitere Monate zur Verfügung stand, kann ich später auf ihn zurückgreifen und ihn im Falle einer Katastrophe als Reserve einberufen. Ich bin noch aus einem anderen Grund für einen solchen Gemeinschaftsdienst. Erstens ist es überhaupt nicht einzusehen – überall reden wir von der Gleichberechtigung der Frauen –, dass hier zwischen Männern und Frauen unterschieden werden soll, das kann ich nicht für

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