Zug um Zug
aber gleich!«
Schmidt: Clement ist ein tragischer Fall.
Steinbrück: Wir haben gelegentlich Kontakt. Er ist sehr harsch in seinem Urteil, auch gegenüber der SPD. Er hat Freunde und Wegbegleiter strapaziert. Aber nach einer langen und freundschaftlich geprägten Zusammenarbeit fiele es mir nicht ein, gute Zeiten mit ihm und seine Qualitäten zu verleugnen.
Schmidt: Ist er innerlich verhärtet?
Steinbrück: Er ist verletzt, hinter einer harten Schale.
Schmidt: Das tut mit herzlich leid, denn ich kenne ihn, seit er Chefredakteur der Hamburger Morgenpost war – das ist tausend Jahre her –, und in meinen Augen ist er ein anständiger Kerl.
Steinbrück: Stimmt. Er ist, wenn man so will, in eine Pflicht genommen worden, für die er sich nicht angemessen gewürdigt fühlte. Die Bilanz, die er aufmachte zwischen der Loyalität, die er gab, und der, die er empfing, fiel enttäuschend aus. Er war Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen. Dann gewann Schröder 2002 noch mal die Wahl und suchte einen Wirtschaftsminister, weil Werner Müller aufhörte. Er hat Clement mehr oder weniger auf Umwegen vor ein Fait accompli gestellt, indem er nach meinem Eindruck einen Querpass in die Presse spielen ließ, dass Clement kommt, und da konnte Clement nicht mehr nein sagen – soweit ich weiß, gegen den Rat seiner Frau, die wohl wollte, dass er in Nordrhein-Westfalen blieb. Und dann ist ein in meinen Augen fataler Fehler gemacht worden, indem das Arbeits- und das Sozialministerium unter der Führung von Clement zusammengelegt wurden –
Schmidt: Arbeit und Wirtschaft, nicht Arbeit und Soziales.
Steinbrück: Arbeit und Wirtschaft, richtig. Das sind zwei völlig verschiedene Welten, die zu verbinden eine Titanenaufgabe ist. Den Fehler habe ich in Nordrhein-Westfalen allerdings wiederholt.
Schmidt: Ich gehe noch einen Schritt weiter: Arbeit und Soziales gehören zusammen, und Wirtschaft und Finanzen gehören zusammen. Zwei Ministerien. Das Wirtschaftsministerium ist so überflüssig wie ein bayerischer Kropf. Es hat keine echten Kompetenzen, macht sich aber wichtig.
Steinbrück: Aber das sind zusammen dann spielend sechzehn Abteilungen, das hält kein Minister aus.
Schmidt: Die meisten Abteilungen können Sie ersatzlos streichen. Ein paar Kompetenzen werden ans Finanzministerium übertragen, die anderen sind längst übergegangen nach Brüssel. Wer macht zum Beispiel in Deutschland die Energiepolitik?
Steinbrück: Energie machen drei Ministerien: Umwelt-, Wirtschafts- und Forschungsministerium.
Schmidt: In Wirklichkeit das Kanzleramt.
Steinbrück: Das muss koordinieren, ja.
Schmidt: Den Ausstieg aus der Nuklearenergie hat das Kanzleramt nach Fukushima entschieden, ohne die drei Ministerien vorher auch nur zu informieren. Und Brüssel macht viele Abteilungen des Wirtschaftsministeriums ohnehin überflüssig. Manchmal habe ich den Eindruck, dass das ganze Ministerium nur dazu da ist, für den Staatssekretär, der zur Ministerratstagung fährt, die Reden aufzuschreiben, die er da vorlesen soll.
Steinbrück: Ich habe als Bundesfinanzminister neun Abteilungen gehabt. Nehmen wir mal an, man könnte das Wirtschaftsministerium halbieren und müsste nur vier Abteilungen in das Finanzministerium übernehmen, dann hätten Sie ein Ministerium zu leiten mit 13 Abteilungen.
Schmidt: Augenblick, man kann diese Abteilungen natürlich zusammenfassen. Eine der schlimmsten Behörden, was die Zahl der Abteilungen und die Zahl der Stäbe angeht, ist das Verteidigungsministerium. Worauf ich hinauswill: Eigentlich sollte ein Kabinett aus keineswegs mehr als zehn Personen bestehen.
Steinbrück: Das schaffen Sie nicht – mindestens fünfzehn.
Schmidt: Bleiben wir bei zehn, denn eine größere Anzahl von Personen können Sie nicht wirklich persönlich so gut beurteilen, dass Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben. Bei zwanzig Ministerien bilden sich zwangsläufig Vorurteile, Aversionen und Sympathien heraus, und die spielen dann eine größere Rolle als das vernunftgemäße Argument pro oder contra. Ich bin für ein kleines Kabinett, sonst kommen wir wirklich dahin, dass ein Land von 80 Millionen durch das Küchenkabinett der Kanzlerin geführt wird.
Steinbrück: Ein Kabinett von zehn kriegen Sie nicht hin, schon gar nicht in einer Koalitionsregierung. Denn in einer Koalitionsregierung wird der kleinere Koalitionspartner drei bis vier Ministerien haben
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