Zug um Zug
wollen –
Schmidt: Wenn die anderen auch bloß sieben kriegen, kann er zwei kriegen.
Steinbrück: Das glaube ich nicht. Haben Sie in Ihrer Kanzlerzeit Ministerien reduziert durch Zusammenlegung?
Schmidt: Jedenfalls habe ich das Wirtschaftsministerium total an den Rand gedrängt.
Steinbrück: Dafür waren Ihnen auch alle nachfolgenden Finanzminister sehr dankbar. Aber ich bleibe dabei: Sie kriegen es auf zehn nicht runter. Sonst wird es eine Konstruktion wie in Frankreich: Die klassischen Ministerien obendrüber, und da drunter stecken dann kleinere Teilministerien. So ist es beispielsweise beim französischen Trésor, dem Finanzministerium, in dem dann auch noch ein Minister für den Haushalt sitzt. Das ist verrückt.
Schmidt: Nehmen Sie die gegenwärtige Struktur der chinesischen Regierung. Da gibt es einen Ministerpräsidenten, dann gibt es vielleicht sechs oder sieben Staatsräte, und jeder dieser Staatsräte hat mehrere Ministerien unter sich. Eine solche Regierungsstruktur ist vernünftig: Der Regierungschef kann regieren mit sechs, sieben, maximal zehn Leuten. Oder nehmen Sie das Militär. Sie werden nirgendwo auf der Welt eine Armee finden, in der ein Regiment aus zehn Bataillonen besteht oder gar zwanzig. Es ist unmöglich für den Regimentskommandeur, zwanzig Bataillonskommandos zu führen. Und Sie werden nirgendwo ein Bataillon finden, wo das Bataillon gleichzeitig zwanzig Kompanien führen muss. Es gibt auch kaum eine Aktiengesellschaft in Deutschland mit einem Vorstand, größer als sechs Mitglieder. Und deswegen habe ich gesagt: maximal zehn Minister im Kabinett, maximal. Man kann nicht gleichzeitig zwanzig Figuren führen. Außerdem verringern Sie das Risiko der personellen Fehlbesetzung: Wenn Sie zehn Minister haben, haben Sie zehnmal das Risiko, wenn Sie zwanzig haben, haben Sie zwanzigmal das Risiko.
Steinbrück: Bei der FDP ist das Risiko aber immer gleich hoch.
Schmidt: Das extremste Beispiel, das man finden kann auf der Welt, ist die Kommission in Brüssel mit 27 Mitgliedern. Es ist absolut ausgeschlossen, dass das funktionieren kann.
Steinbrück: Aber wie wollen Sie es anders regeln, als dass jedes Land einen Kommissar entsendet? Über ein Rotationsprinzip? Sodass große Mitgliedstaaten wie Frankreich oder Deutschland plötzlich vor der Tür stehen?
Schmidt: Ich würde das Rotationsprinzip im Grunde akzeptieren. Man könnte dafür Ländergruppen bilden. Es ist nicht unbedingt notwendig, dass zum Beispiel die Franzosen oder die Deutschen ehemalige Minister oder einen ehemaligen Landesministerpräsidenten nach Brüssel entsenden. Ich muss Ihnen mal mein Ideal der Kommission vorstellen. Erstens: Jemand, der sich zum Kommissar der Brüsseler Kommission berufen lässt, verliert damit seinen nationalen Pass und sein Wahlrecht im eigenen Land. Zweitens: Einmalige Wiederbestellung ist zulässig, danach ist Schluss.
Steinbrück: Und dann kriegt er seinen Pass wieder.
Schmidt: Was er dann macht, ist mir wurscht. Nehmen Sie die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Die hat mehrere Ursachen. Eine der oft übersehenen, aber gleichwohl sehr wichtigen und ausschlaggebenden Ursachen liegt in der Tatsache, dass Jean-Claude Trichet nicht wiederbestellt werden kann; damit ist er frei von jeder Rücksichtnahme auf diejenigen Instanzen, die bei anderer Regelung seine Wiederbestellung zu entscheiden hätten.
Was ich Sie vorhin fragen wollte, Peer, als Sie erwähnten, dass Sie als persönlicher Referent bei Matthöfer angefangen haben: Haben Sie Matthöfer geschätzt?
Steinbrück: Sehr.
Schmidt: Ich auch. Das war ein Mann, auf den konnte man ein Haus bauen.
Steinbrück: Er ist mein Mentor gewesen. Es gibt eine verrückte Geschichte mit ihm. Als persönlicher Referent hatte ich für ihn eine Rede geschrieben, die er in Frankfurt hielt, und er bekam für diese Rede ein Honorar von, glaube ich, 10000 Mark. Ich war vielleicht 29 oder 30 Jahre alt. Ich bin zu ihm ins Büro gegangen und habe gesagt: Herr Minister, können wir nicht halbe-halbe machen? Normalerweise hätte ich damit rechnen müssen, rausgeschmissen zu werden. Aber er sagte: Also, Herr Steinbrück, setzen Sie sich da mal hin. Was glauben Sie denn, was ich mit dem Geld mache? Und da sage ich: Ich habe keine Ahnung, Herr Minister. Da sagt er: Ich habe den Eindruck, Sie gehören derselben Partei an wie ich, und Sie wissen vielleicht, dass unser Parteivorstand mich beauftragt hat,
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