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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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die sozialdemokratischen Bewegungen auf der Iberischen Halbinsel, insbesondere Felipe González in Spanien, zu unterstützen. Und im Übrigen bin ich auch dabei, politisch Verfolgte aus Chile herauszuholen, teilweise mit gefälschten Papieren. Das schilderte er mir alles sehr genau. Dann machte er eine lange Pause und guckte mich an und sagte: So, Herr Steinbrück, wollen Sie jetzt immer noch halbe-halbe machen?
    Schmidt:   Für mich ein wunderbarer Mann, weil absolut zuverlässig. Ich habe den geliebt.
    Steinbrück:   Die Geschichte, die Sie beide zusammengeschweißt hat, war die Debatte über die Notstandsgesetzgebung Ende der sechziger Jahre. Sie werden sich vielleicht gar nicht erinnern. Obwohl Matthöfer eigentlich anderer Auffassung war als Sie, machte er Ihnen das große Kompliment, als Fraktionsvorsitzender die Bandbreite der Meinungen innerhalb der Fraktion dargestellt zu haben. – Als ich Finanzminister wurde, habe ich alle ehemaligen Finanzminister einmal im Jahr eingeladen; zweimal waren Sie auch da, einmal konnten Sie nicht. Hans Matthöfer erschien immer. Einmal wurde ihm schwindelig, er kippte um, und ich war ziemlich in Sorge um ihn.
    Schmidt:   Ich habe gemerkt, dass er zum Schluss Schwierigkeiten hatte.
    Steinbrück:   Drei Tage vor der Bundestagswahl 2009 habe ich ihn das letzte Mal im Krankenhaus besucht. Er lag im Koma, und ich sagte zu dem Arzt, wahrscheinlich kriegt er gar nicht mit, dass ich bei ihm bin. Das weiß man nie, sagte der Arzt, nehmen Sie seine Hand und erzählen Sie ihm ein bisschen was. Wir wissen nicht so genau, was da abläuft. Daraufhin habe ich Matthöfers Hand genommen und gestreichelt und habe ihm erzählt aus der Zeit, als ich bei ihm das erste Mal auftauchte, und was wir zusammen erlebt haben. Und dann war er –
    Schmidt:   Er war sehr abhängig von seiner Frau.
    Steinbrück:   Ja, die hat für ihn den ganzen Wahlkreis gemacht.
    Schmidt:   Nicht nur das. Sie war unglaublich rührig und hatte den schönen Mädchennamen Traute Mecklenburg. Sie stammte aus einem Ort, der hieß auch Mecklenburg, und damit man das Dorf Mecklenburg nicht verwechselte mit dem Land, stand auf den Briefbögen und auf dem Poststempel: »Dorf Mecklenburg in Mecklenburg«. Traute Mecklenburg ist ein paar Jahre vor ihm gestorben, und das hat ihn eigentlich umgehauen.
    Steinbrück:   Ja, aber in seinen letzten Jahren hatte er in Berlin noch eine Lebensgefährtin. Die hat sich sehr fürsorglich um ihn gekümmert und ist nach seinem Tod, wie ich gehört habe, schofelig behandelt worden.
    Schmidt:   Das glaube ich. Da wir über Personen in der Vergangenheit reden: Zu der Zeit, wo Sie im Kanzleramt in der Abteilung III waren, gab es in der Abteilung IV den Herrn Sarrazin. Haben Sie ihn gekannt?
    Steinbrück:   Ja. Es gab eine Riege von jungen Leuten –
    Schmidt:   Da erzähle ich Ihnen mal eine Geschichte. Irgendwann in den neunziger Jahren fiel mir der Berliner Finanzsenator Sarrazin auf, der als Einziger dafür sorgte, dass die Berliner Verwaltung wenigstens schrittweise ein wenig rationaler wurde, als sie bis dahin war. Ich fand den Mann interessant und habe ihn eingeladen, mich zu besuchen. Dann kam er zu mir, und ich fragte ihn: Sagen Sie mal, Herr Sarrazin, wo haben Sie Ihren Namen her? Ich kenne eine Bankiersfamilie in Basel, die heißt so. Außerdem habe ich mal ein Buch gemacht mit einem jungen Mann namens Sarrazin und einem jungen Mann namens Lührs. Das war in den siebziger Jahren; mit großer Mühe habe ich damals mit der Hand einen längeren Aufsatz geschrieben über kritischen Rationalismus, in Wirklichkeit über Karl Popper. Und da sagt er: Das war ich doch.
    Steinbrück:   Kritischer Rationalismus und Sozialdemokratie , eine gelbe Schwarte, ist in der Internationalen Bibliothek erschienen. Ich habe das Ding zu Hause.
    Schmidt:   Ach ja! Ich habe, glaube ich, das Vorwort geschrieben.
    Steinbrück:   Da waren noch ein paar andere. Einer hieß, glaub ich, Frithjof Spreer.
    Schmidt:   Kann durchaus sein. Übrigens, bei dieser Gelegenheit muss man das Lob für den Berliner Finanzsenator Sarrazin mal dick unterstreichen. Der hat seine Sache anständig gemacht, soweit ich das gesehen habe.
    Steinbrück:   Kein Einspruch. Damals im Bundeskanzleramt gehörte er, wie gesagt, zu dieser Riege von jungen Leuten, zu denen in der Abteilung II bei von Staden –
    Schmidt:   Aber Sarrazin war wahrscheinlich Abteilung IV.
    Steinbrück:   Der war Wirtschaft, richtig.

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