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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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Kanzleramt war. Sie flogen zu einer Rede bei der Max-Planck-Gesellschaft, irgendwo in Süddeutschland, und hatten anschließend die sogenannte Entsorgungsrunde mit den Ministerpräsidenten über Gorleben. Ich wurde hinten ins Flugzeug gepackt mit der Direktive: Auf dem Rückweg will der Bundeskanzler von Ihnen vorbereitet werden auf die Bund-Länder-Konferenz, insbesondere auf das Gespräch mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht; es ging um die eventuelle Endlagerstätte für nuklearen Abfall in Gorleben. Und dann wurde ich auf dem Rückflug nach Bonn zum Bundeskanzler gerufen. Ich habe mich hingesetzt, und Sie haben erst mal nur gelesen. Dann haben Sie mir zwei Fragen gestellt, und dann haben Sie lange wieder nichts gesagt. Ich wollte aufstehen und wieder gehen, weil ich dachte, die Audienz ist beendet. Da haben Sie gefragt: Wer hat Ihnen denn gesagt, dass Sie aufstehen sollen? Und mich mit so einer Handbewegung angewiesen, dass ich mich wieder setze. Dann wollten Sie wissen, wo ich herkomme, weil Ihnen offenbar auffiel, dass ich so ähnlich Hamburgisch sprach wie Sie. Schließlich sind wir die Entsorgungsproblematik durchgegangen. Das war die erste Begegnung zwischen uns, 1979. Volker Hauff war dabei als zuständiger Minister.
    Schmidt:   Ist Volker Hauff später politisch aus dem Tritt gekommen?
    Steinbrück:   Nein, der ist von der SPD Hessen-Süd und der Frankfurter SPD – sagen wir es vorsichtig und gerade noch parteikorrekt – nicht ausreichend unterstützt worden.
    Schmidt:   Ach, so war das.
    Steinbrück:   Ja. Er war Oberbürgermeister in Frankfurt, und heute hätten die da gern einen von diesem Kaliber.
    Schmidt:   Da gab es doch diesen Mann, der die Alte Oper abreißen wollte, Rudi –
    Steinbrück:   Arndt.
    Schmidt:   Arndt, ja. Genannt Dynamit-Rudi. – In welcher Abteilung des Kanzleramts haben Sie gearbeitet?
    Steinbrück:   Abteilung III. Der Abteilungsleiter war Gerhard Konow, dem ich viel verdanke. Ich war in dem Referat für Forschung und Technologie, dem Spiegelreferat zum Forschungsministerium, weil ich davor persönlicher Referent gewesen war, erst bei Hans Matthöfer, dann bei Volker Hauff. Matthöfer war von Ihnen im Februar 1978 zum Finanzminister gemacht worden, und Hauff war sein Nachfolger.
    Schmidt:   War das Zufall, dass Sie ins Kanzleramt geraten sind? Oder hatte es etwas mit Ihrer SPD-Zugehörigkeit zu tun?
    Steinbrück:   Mit der SPD hatte das gar nichts zu tun, sondern Hauff bat mich, für ihn den – fast hätte ich gesagt – Liaisonoffizier zu machen; ich sollte für ihn die Brücke ins Kanzleramt sein.
    Schmidt:   Habt ihr kleinen Referenten – Sie waren wahrscheinlich Hilfsreferent oder Sachbearbeiter?
    Steinbrück:   Richtig, ich war Hilfsreferent.
    Schmidt:   Habt ihr Hilfsreferenten und Referenten mitgekriegt – oder blieb euch das verborgen –, dass der Regierungschef auf die Parteizugehörigkeit überhaupt nicht geguckt hat?
    Steinbrück:   Absolut, und zwar wurde uns das vermittelt vom Chef des Kanzleramts Manfred Schüler. Schüler sagte, es zählt nur Qualität.
    Schmidt:   Richtig.
    Steinbrück:   Schüler brachte uns bei, wie man Vorlagen für Sie erstellt: Sie müssen dem Kanzler das gabelfertig auf maximal drei Seiten aufschreiben, und Sie machen bitte eine Gliederung. Die Gliederung lautet: Sachstand – Problematik – Votum. Und gehen Sie davon aus, dass der Kanzler den Sachstand am besten kennt; er will die Problematik haben, und er will ein Votum haben. Allerdings haben Sie keinerlei Anspruch darauf, dass der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Ihrem Votum folgt.
    Schmidt:   Genau.
    Steinbrück:   Und unterlassen Sie bitte den Trick, den alle Beamten anwenden, dass diesem dreiseitigen Vermerk zwanzig Seiten Anlagen hinzugefügt werden nach dem Motto: Auf Seite 18 der Anlage C steht ein wichtiger Satz – und wenn der Kanzler den nicht findet und liest, ist er selber schuld. Dann kriegte man den Vermerk von Ihnen mit wahnsinnig vielen Anmerkungen in Grün zurück – und das war für einen Hilfsreferenten die größte Bestätigung und Motivation, weil er sicher sein konnte, dass der Kanzler diesen Vermerk gelesen hatte. Fragezeichen hieß »stimmt nicht«, Haken hieß »richtig«. Da damals – genau wie heute – Kernenergie, Entsorgung, Technologieförderung zentrale Themen waren, kriegte ich von Ihnen viele Vermerke so wieder zurück.
    Schmidt:   Ich hoffe, Sie haben

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