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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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den einen oder anderen Vermerk aufbewahrt und können ihn heute vorweisen.
    Steinbrück:   Nein, kann ich leider nicht, die Vermerke gingen ja in die Akten des Kanzleramts.
    Schmidt:   Ich finde das wahnsinnig interessant, was Sie da erzählen. Dieses Gespräch im Flugzeug, war das das einzige Mal, wo Sie mit dem Kanzler reden mussten?
    Steinbrück:   Nein, nein. Ich wurde vier oder fünf Mal zu Ihnen bestellt; manchmal musste ich Protokollant im Kabinett sein, und manchmal musste ich bei Ihnen antanzen mit meinem Hauptreferenten. Konow sorgte aber immer dafür, dass ich vortragen durfte. Konow hat mich sehr gefördert.
    Schmidt:   Das bestätigt meine Erinnerung, dass ich mich bisweilen eben nicht auf die Ministerialdirektoren verlassen habe, sondern bis zum Referenten runtergegangen bin.
    Steinbrück:   Das habe ich später von Ihnen kopiert. Als ich das erste Mal Minister war, sagte ich: Bei Rücksprachen möchte ich den Verfasser des Vermerks mit am Tisch haben und nicht den Abteilungsleiter. Natürlich saßen beide am Tisch, der Referent, der den Vermerk geschrieben hatte, und der Abteilungsleiter. Aber der Referent sollte lernen, wie ich ticke und wie ich reagiere, weil ich wusste, das motiviert ihn. Und noch etwas anderes habe ich mitgenommen aus der damaligen Zeit: dass bei der Besetzung von Stellen nicht die Parteizugehörigkeit, sondern die Qualifikation für mich die entscheidende Rolle spielt. Einer meiner besten Abteilungsleiter als Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein war beispielsweise der frühere CDU-Generalsekretär von Gerhard Stoltenberg. Manfred Schüler war derjenige, der uns –
    Schmidt:   Ich bin ganz glücklich über das, was Sie über Schüler sagen. Er ist ein wunderbarer Mann gewesen.
    Steinbrück:   Ja, aber unter uns, Helmut: Wenn er eine Ansprache halten sollte –
    Schmidt:   Das konnte er nicht.
    Steinbrück:   Dafür waren Sie ja dann da.
    Schmidt:   Aber Schüler hat mir zum Beispiel die Geheimdienste vom Leib gehalten. Nur wenn wirklich was in seinen Augen Wichtiges war, hat er es mir vorgetragen.
    Steinbrück:   Als Belohnung, wenn man ordentlich gearbeitet hatte, bekam man eine Einladung zu Ihren Kanzlerfesten. Es gab ein Kanzlerfest, das werde ich nie vergessen: Sie und Loki standen auf dem Balkon des Palais Schaumburg, und es sollte eine Zaubervorführung geben. Nach Ihrer Ansprache – die war sensationell kurz – wurden Sie beide in einen Käfig gesperrt, dann wurde ein riesiges Tuch drübergespannt, und anschließend waren Sie beide weg.
    Schmidt:   Der Franz Josef Strauß hätte sich gefreut.
    Steinbrück:   Der war aber nicht eingeladen. Also, ich behaupte, dass das Kanzleramt damals eine der bestgeführten Behörden war, die es gab – und zwar nicht, um Ihnen hier jetzt Honig um den Mund zu schmieren. Und Manfred Schüler als derjenige, der die Verwaltung machte, war eine kongeniale Ergänzung zu Ihnen.
    Schmidt:   Ein wunderbarer Verwaltungsbeamter erster Klasse.
    Steinbrück:   Absolute Spitze. Aber die Abteilungsleiter auch. Was der Konow mir dort beigebracht hat, ich war um die dreißig –
    Schmidt:   Also, Sie haben mir eine Riesenfreude gemacht in der letzten Viertelstunde, insbesondere auch, was das Lob für Manfred Schüler angeht. In meiner Erinnerung war das eine wunderbare Mannschaft: der Schüler, der Wischnewski, der nicht nur jeden Araber um den Finger wickeln konnte, sondern auch ein sehr gutes Fingerspitzengefühl für die Politik in Deutschland hatte. Wenn der gesagt hat, Helmut, das kannst du nicht machen – hat er immer recht gehabt.
    Steinbrück:   Da war noch einer.
    Schmidt:   Klaus Bölling.
    Steinbrück:   Ja, Bölling, aber noch einer drunter, der eine sehr feinfühlige Behandlung des Apparates hatte – Leister.
    Schmidt:   Klaus Dieter Leister, ein Mann, dem ich nach wie vor meine Zuneigung bewahre.
    Steinbrück:   Nicht eitel, nicht geltungsbedürftig und nicht hochnäsig nach dem Motto: Ich bin der Büroleiter des Kanzlers. Das haben wir sehr geschätzt.
    Schmidt:   Warum ist der später als Staatssekretär bei Johannes Rau gescheitert?
    Steinbrück:   Weil er zur Mentalität von Johannes nicht passte. Johannes Rau brauchte einen Widerpart und nicht eine Duplizierung; Leister war eher eine Ergänzung. Rau, der ja eine bemerkenswerte Menschenkenntnis hatte, holte sich dann mit Wolfgang Clement das absolute Gegenstück zu sich selbst, einen Mann, der rief: »Herr, gib mir Geduld,

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