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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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klar bekannt und geäußert hat, ist kein anderer als Präsident Sarkozy. Und da vermisse ich, dass die Bundesregierung ihr Gewicht auf die Waagschale bringt, mit einigen anderen Ländern in der Eurozone den Anfang zu machen. Frank-Walter Steinmeier und ich hatten eine interessante Veranstaltung in Berlin – das war im Herbst 2010 – mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Herrn Ackermann, bei der wir ihn nach einer solchen Umsatzsteuer fragten und er sich immerhin hinreißen ließ zu der Bemerkung: Wenn die Politik eine solche Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte an den wichtigsten kontinentaleuropäischen Finanzplätzen durchsetze, also Mailand, Benelux, Paris und Deutschland, dann könne er sich vorstellen, dass man nicht zwingend den Finanzstandort London mit einbeziehen muss –
    Schmidt:   Wer sagt das?
    Steinbrück:   Das sagt Ackermann. Und mich wundert deshalb, dass die Bundesregierung in dieser Frage so zurückhaltend defensiv aufgestellt ist.
    Schmidt:   Wobei Ackermann natürlich weiß, dass die große Masse seiner Finanzumsätze in London gemacht wird.
    Steinbrück:   Ja, das ist natürlich jetzt ein K. o. Das ist mir damals leider nicht eingefallen, Helmut, aber das hätte meine Entgegnung sein müssen.
    Schmidt:   Ich wollte noch einmal zurückkommen auf den Vorschlag von Barroso. Im Grunde haben Barroso und seine Kommission ja nun schon mehr als zwei Jahre geschlafen. Trotzdem ist der Gedanke, den er da jetzt verspätet in die Debatte wirft, nicht ganz abwegig. In Wirklichkeit brauchen mindestens Irland, Portugal und Griechenland Hilfen – hoffentlich nicht auch Italien oder Spanien. Denn dann wird es eng. Die drei genannten Länder, Irland, Portugal und Griechenland, machen zusammen etwas weniger als sechs Prozent der Wertschöpfung der europäischen Volkswirtschaften aus. Es handelt sich also um eine relativ kleine Größenordnung, wenn man sie zum Beispiel vergleicht mit dem Zusammenfügen der ehemaligen Wirtschaft der DDR mit der ehemaligen Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. Das war ein größerer Brocken, das waren mehr als sechs Prozent der westdeutschen Volkswirtschaft. Erschwerend kam hinzu, dass gleichzeitig ein Systemwechsel und die Überführung einer staatssozialistischen Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft notwendig waren.
    Ein Systemwechsel ist weder in Irland notwendig noch in Portugal, noch in Griechenland. Was diese drei Staaten brauchen, selbst in dem Extremfall eines griechischen Staatsbankrotts, ist ein European Recovery Program, ein europäischer Marshallplan, aber nicht bestehend in erster Linie aus Geld, sondern in erster Linie bestehend aus Projekten. Ein Beispiel wäre die Inkorporation Griechenlands in den energiepolitischen Wechsel in Deutschland; da scheint überall die Sonne in Griechenland, daraus kann man Strom erzeugen und nach Deutschland exportieren. Ein anderes Beispiel wäre die Gründung von Beschäftigungsgesellschaften bei gleichzeitigem Start von Infrastrukturprogrammen großen Ausmaßes, um die dreißigprozentige Jugendarbeitslosigkeit zu halbieren.
    Es gäbe eine Reihe von Projekten, aber man braucht vor allem ein Gesamtkonzept. Und man braucht Partner, die bereit sind mitzuspielen, in Athen und in Lissabon und in Dublin. Es macht überhaupt keinen Sinn, den griechischen Staat vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren und im Übrigen alles so zu lassen, wie es ist. Griechenland ist zurzeit in einer Depression, einer deflatorisch herbeigeführten Depression. Und die Griechen können sich aus eigener Kraft nicht daraus erheben. Weder die Mentalität noch die Fähigkeiten sind vorhanden: Bis Sie die griechischen Reeder dazu bringen, zum ersten Mal an ihren eigenen Staat Einkommensteuer zu zahlen, vergehen wahrscheinlich zwanzig Jahre.
    Steinbrück:   Richtig, wir haben in Griechenland auch ein Problem der Verwaltung; es fehlt an administrativen Voraussetzungen und intakten Strukturen. Hier muss man den Griechen behilflich sein, zum Beispiel bei der Verbesserung ihrer Steuerverwaltung, zum Beispiel bei der Einrichtung einer Art Treuhand, die bei der Privatisierung von Staatseigentum erforderlich ist. Nur: Wie wirkt sich das aus auf die Souveränität des Landes, auf den Stolz der Griechen, wenn deutsche Experten eingeflogen werden, wo die Deutschen ohnehin schon die Projektionswand sind, an der sich der Zorn der Griechen entlädt?
    Schmidt:   Die Deutschen sollten sich aus der Griechenland-Polemik heraushalten. Aber sie

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