Zug um Zug
Deutschen Bundestag. Nur: In den USA hat das Ganze zwar zu einem Abschlussbericht geführt, der schwerste Vorwürfe richtet an die Bankmanager, aber ich kann nicht erkennen, dass sich etwas geändert hat.
Schmidt: Und doch bleibt der unangenehme Eindruck, dass etwas versäumt wurde. Dass niemand zur Rechenschaft gezogen wurde. Dass die Banker keinen Preis bezahlt haben.
Steinbrück: Welcher Preis sollte das gewesen sein? Erstens: Ich bin mir sicher, dass die Banken heute keine Unterstützung mehr kriegen würden im Deutschen Bundestag und in der deutschen Öffentlichkeit für eine zweite Bankenabschirmung, wie wir sie im Herbst 2008 mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz gemacht haben. Es würde einen Aufschrei der Entrüstung geben. Zweitens: In der damaligen Phase stand die Bankenwelt, repräsentiert durch ihre Vorstände und ihre Manager, unter Schock. Lehman war abgestürzt, und die Vorstandsetagen der meisten Wall-Street-Banken waren mit wenigen Ausnahmen ausgewechselt worden. Diese Schockphase hielt in meinen Augen von etwa September/Oktober 2008 bis Frühjahr 2009 an. Dann stellten die Banker fest, dass die verschiedenen Abschirmungskonstruktionen funktionierten, und in dem Augenblick wurden sie wieder selbstbewusster und kehrten zurück in ihre alten Mentalitäten. Das war körperlich spürbar. Auf dem wichtigen zweiten Finanzgipfel am 2. und 3. April 2009 in London haben wir es nicht hingekriegt, den Rückenwind aus dem ersten Finanzgipfel zu nutzen und ihnen Schranken aufzuerlegen. Das hat nicht geklappt.
Schmidt: Hier ist die Antwort auf meine Frage nach dem Preis. Der Preis wäre gewesen: eine durchgreifende Regulierung und Finanzaufsicht.
Steinbrück: Das wäre der eine Preis gewesen und der andere Preis: ein nachträglicher finanzieller Beitrag der Bankenwelt zur Finanzierung der Folgekosten. Da kommt dann der komplizierte Begriff einer Finanzmarkttransaktionssteuer ins Spiel, umgangssprachlich formuliert: eine Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte, über die zur Entlastung der Steuerzahler entweder die Folgekosten für mögliche Garantieausfälle – auch mit Blick auf die derzeitige Krise in der Eurozone – finanziert werden oder aber für die Zukunft eine Art Feuerwehrfonds gegründet wird, der für den Fall wieder drohender Finanzkrisen zur Stabilisierung genutzt werden kann.
Schmidt: Ich möchte das ausdrücklich unterstreichen. Es ist eine schwer verständliche Tatsache, dass Banken und andere Finanzinstitute keine Umsatzsteuer zahlen. Das ist fast nicht zu begreifen.
Steinbrück: Und wir reden bei einer Umsatzsteuer für Banken nicht etwa von 19 Prozent oder 7 Prozent, sondern von 0,05 Prozent – ich habe irgendwann einmal gesagt, ich sei für 0,1. Ich will hinzufügen, dass dieses Instrument auch für die aktuelle Lage von einer erheblichen Bedeutung sein könnte. Es geht darum, dass man einigen mediterranen Ländern behilflich sein muss, ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, denn das, was wir im Augenblick mit den Rettungsfonds tatsächlich machen, ist ja nichts anderes als die Finanzierung ihres Schuldendienstes. Ich war froh, als EU-Kommissionspräsident Barroso sich endlich zu Wort meldete mit dem Hinweis, dass der europäische Etat eine Milliarde mobilisieren soll aus den Struktur- und Kohäsionsfonds, um diesen Ländern behilflich zu sein, insbesondere Griechenland. Das wäre eine Maßnahme. Die andere wäre, das Aufkommen aus einer solchen Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte für die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder zu verwenden – insbesondere mit Blick auf die Beseitigung von Jugendarbeitslosigkeit und auf den gewerblichen Mittelstand.
Schmidt: Sie erwähnen die Jugendarbeitslosigkeit mit Recht. Denn sie ist nicht nur in Deutschland, sondern fast überall in Europa und darüber hinaus in allen arabischen Ländern ein innenpolitisches Kardinalproblem geworden. Für die Lösung dieses Problemkomplexes das Aufkommen aus einer Bankenumsatzsteuer einzusetzen wäre ein wichtiger Beitrag.
Steinbrück: Den Widerstand in der Europäischen Union beziehungsweise in der Eurogruppe gegen eine solche Umsatzsteuer auf Finanztransaktionen könnte man vielleicht überwinden, indem man dafür wirbt, dass viele Länder Nutznießer eines solchen Aufkommens sein könnten. Ich kenne mindestens vier oder fünf Länder, die für eine solche Finanzumsatzsteuer sind; der letzte wichtige Regierungs- oder Staatschef, der sich dazu
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