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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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sollten sich, wie die übrigen Europäer auch, daran erinnern, dass die Demokratie ihre Wiege in Griechenland hatte, in den ionischen Städten, genauer gesagt. Ohne die alten Griechen hätte es keine Renaissance und ohne die Renaissance hätte es keine Aufklärung gegeben. Die Europäer sollten wissen, dass die europäische Zivilisation ohne Griechenland undenkbar ist. Sie daran zu erinnern gehört zu den Aufgaben der Politiker – und der Medien!
    Steinbrück:   Man darf den Griechen ihren Stolz nicht nehmen. Zurzeit werden nur Ressentiments geschürt. Man muss aber auch darauf hinweisen dürfen, dass die Griechen lange an der Bonität Deutschlands auf den Finanzmärkten teilhatten. In dem Augenblick, wo es eine gemeinsame Währung gab, konnten sie Kredite aufnehmen zu einem Realzinssatz von 2,5 oder 3,0 Prozent; Mitte der neunziger Jahre hatten sie auf den Kapitalmärkten noch 14 bis 15 Prozent und kurz vor dem Eintritt in die Eurozone über 10 Prozent für kurzfristige Anleihen zahlen müssen. Ich sage das nur, um daran zu erinnern, dass es eine Reihe von Mitgliedstaaten in der Währungsunion gibt, die die Teilhabe an der deutschen und französischen Bonität durch abgesenkte Zinsen nach Einführung des Euro nicht dazu genutzt haben, ihr Land zu reformieren und Strukturen zu modernisieren. Diesen Vorwurf muss man Ländern wie Griechenland – und übrigens auch Italien – machen. Das bedeutet nicht, dass man bei dem Vorwurf stehenbleibt, aber ihn gelegentlich zu präsentieren, halte ich nicht für falsch.
    Schmidt:   Das ist alles richtig. Der eigentliche Fehler liegt darin, dass man es 1991/92 für selbstverständlich gehalten hat, Griechenland, so wie es war, und Portugal, so wie es war, in die europäische Währungsunion aufzunehmen. Es war ein Fehler, den Euroraum so auszuweiten.
    Steinbrück:   Es war eine politische Entscheidung.
    Schmidt:   Ja. Eine Entscheidung von Politikern, die nicht wussten, was sie taten.
    Steinbrück:   Lassen Sie mich vielleicht in vier Sätzen zusammenfassen, was in der Griechenlandkrise meiner Meinung nach zu tun ist. Erstens werden die Griechen in den nächsten Jahren nicht wieder auf die Kapitalmärkte zurückkehren können; die Kalamitäten werden nicht durch immer neue Rettungsschirme zu beseitigen sein, sondern nur durch eine Entschuldung des Landes. Zweitens werden einige europäische Banken rekapitalisiert werden müssen, die sonst in schweres Fahrwasser kommen; man wird die eine oder andere Bank in Europa vielleicht auch mal geordnet abwickeln müssen. Drittens, man wird eine Art Recovery Program für Griechenland und andere Länder zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftsstruktur in Gang setzen müssen. Viertens wird die EZB von der Belastung ihrer Bilanz mit Staatsanleihen befreit werden müssen.
    Schmidt:   Ich stimme Ihnen zu. Ich will an dieser Stelle noch einmal dringend davor warnen, von einer Krise des Euro zu reden. Ich habe eingangs schon darauf hingewiesen, dass der Euro die zweitwichtigste Währung der Welt ist, wenn Sie sich die Reserven der Welt angucken. Und ich habe wohl auch schon darauf hingewiesen, dass der Euro stabiler ist nach innen wie nach außen, als es die D-Mark in den letzten zehn Jahren ihres Bestehens gewesen ist. Natürlich würde ein Staatsbankrott oder ein Haircut oder eine teilweise Streichung griechischer Schulden psychologische Auswirkungen auf die Märkte haben, aber nur vorübergehend. Wenn der Staat Kalifornien morgen zusammenbricht und seine Volksschullehrer nicht mehr bezahlen kann, dann hat das natürlich Auswirkungen auf den Dollarwechselkurs, aber nicht länger als drei Wochen. Ähnlich ist es im Fall des Euro. Die Währung ist überhaupt nicht gefährdet. Sie kann aber gefährdet werden durch das Geschwätz von Politikern, die nicht wissen, worüber sie reden. Wenn Sie sich manche Ausgaben der Bild -Zeitung angucken oder des Spiegel : Was da über den Euro und seine angebliche Krise an falschen Thesen vorgetragen wird, ist ein Skandal, eine ganz schlimme Sache. Hier wird Stimmung gemacht in einer unverantwortlichen Weise.
    Steinbrück:   Ja, und die Bundeskanzlerin hat dazu beigetragen. Es fällt schon auf, dass sie in Brüssel die europäische Hymne singt, aber im Sauerland im Zweifelsfall das heimatliche Klavier mit sehr chauvinistischen und populistischen Tönen bespielt. Das hat sehr früh angefangen, schon im Februar/März des letzten Jahres, als sie sagte: Die Griechen kriegen keinen

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