Zugzwang
Hochdruck. Bei der Vielzahl der ausgestrahlten Fernseh- und Radioprogramme suchen wir allerdings die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen. Wobei wir unsere Suche auf Werbesendungen dieser Partei konzentrieren, da wir darin die größte Chance sehen. Sie müssen allerdings bedenken, dass unsere Techniker das, wonach sie suchen, nur theoretisch kennen. Wir haben weder gesicherte Erkenntnisse über die Frequenz noch die Dauer dieser Botschaften. Genau genommen wissen wir nur von unseren amerikanischen Kollegen, dass es sie geben soll.«
Immerhin, stellte Joshua zufrieden fest, waren sie auf der richtigen Spur. Es passte alles zusammen. Über die Firma von Schändler wurden Botschaften in Werbespots untergebracht. Da es keine weiteren Fragen mehr gab, kamen sie zur Einsatzbesprechung. Joshua hielt sich dabei auffallend zurück. Er wollte unbedingt noch einmal zum Institut von Bönisch.
Der Fokus der Ermittlungen sollte zuerst auf die von der Werbeagentur Schändler produzierten Werbespots gerichtet sein. Bruno Hilbich, Rainer Hönnscheidt, Viktor, Marlies und zwei Kollegen vom Dezernat Wirtschaft wurden dafür eingeteilt. Kalle stellte sich als Schriftführer und eine Art Koordinator zur Verfügung. Nora und Jack wollten Einzelheiten über Enkel und Skopje herausfinden.
Marlies wirkte äußerst nachdenklich. Sie spielte dabei mit einem hellblauen Tuch, das sie um den Hals trug. Fast sah es so aus, als träume sie.
»Marlies, bist du noch bei uns?«
Von Kalles Frage aufgeschreckt, legte sie ihre Hände auf den Tisch und starrte ihn an.
»Ich frage mich gerade, was alles möglich ist?«
»Ja«, gab Viktor ihr Recht, »da darf man gar nicht drüber nachdenken.«
»Doch. Da müssen wir drüber nachdenken. Können wir ausschließen, dass auch wir beeinflusst werden?«
Joshua stellte seine Tasse ab und nahm den Faden auf.
»Also zunächst mal ist ihre Strategie ja offensichtlich darauf angelegt, die breite Masse zu manipulieren …«
»Es geht aber auch anders«, unterbrach Kalle ihn, »denk nur mal an Dinslaken. Eigentlich dürfte keiner von uns während der Ermittlungen fernsehen oder Radio hören. Immerhin ist Marlies ja schon beeinflusst worden und«, er machte eine kleine Pause, »ich auch.«
»DU«, entfuhr es Marlies.
»Ja, am Dienstag«, kleinlaut sprach er weiter, »normalerweise ist es mir pappegal, wo ich tanke. Am Dienstag bin ich auf Reserve an der Aral-Tankstelle vorbei und mit dem letzten Tropfen zur BP gekommen. Fragt mich nicht, warum. Aber ich war mit dieser Eingebung nicht alleine. Da war eine Schlange, als wenn sie ihren Sprit verschenken würden.«
Das ging Joshua zu weit. Er bemühte sich, den Einwand von Kalle ernst zu nehmen, konnte sich aber absolut nicht vorstellen, durch Botschaften gleich welcher Art, von seinen Ermittlungen abgehalten zu werden. Nervös kaute er an seiner Unterlippe. Vermutlich konnte es sich niemand vorstellen. Aber die Beispiele von Marlies und Kalle sprachen eine andere Sprache. Vielleicht war es gut so. Das konnte ein Ansatz sein.
»Marlies, wir müssen wissen, welchen Sender und wenn möglich, welche Sendungen du gehört hast, bevor du mit dem Auto gefahren bist und Kalle …«
»Schon klar«, unterbrach er ihn, »darüber habe ich gerade auch schon nachgedacht. Im Auto höre ich eigentlich immer WDR 2.«
Marlies gab an, während dem Frühstück das örtliche Lokalradio zu hören. Beide Sender unterbrachen ihr Programm des Öfteren mit Werbesendungen. Es wurden auch Wahlwerbespots gesendet. Marlies und Kalle konnten sich allerdings nicht mehr daran erinnern, welche Partei beworben wurde. Es war ihnen aber auch so klar.
»Okay. Ich möchte euch sicherheitshalber bitten, während der Ermittlungen weder fernzusehen noch Radio zu hören. Falls diese Botschaften tatsächlich über diese Medien verbreitet werden, worauf ja einiges hindeutet, müssen wir vermeiden, selbst beeinflusst zu werden.«
Sie nickten ihm zu.
»Es ist ja nicht nur die politische Konsequenz«, begann Marlies erneut, »sie haben mit dieser Technik schließlich auch eine ungeheure wirtschaftliche Macht. Jedes Produkt, das auf diese Art beworben wird, wird zum Verkaufsschlager.«
»Das haben sie doch gar nicht nötig. Die Möglichkeit, die Börse zu beeinflussen, ist doch bereits die Lizenz zum Geld drucken.«
Viktors Worte sorgten bei Joshua für ein beklemmendes Gefühl. Wenn es ihnen nicht gelingen sollte, diese Täter vor der nächsten Wahl zu stoppen, würden sie wohl sehr bald das ganze
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