Zugzwang
ich waren vollständig eingeweiht. Frau Karman zum Teil. Ihr Tod ergibt keinen Sinn. Es erscheint mir vollkommen logisch, dass es sich um einen Racheakt gehandelt hat. Angedroht hat es dieser Groding ja oft genug!«
»Hat Groding denn Frau Schändler auch bedroht?«
Skopjes Blick verfinsterte sich. Er kehrte Joshua den Rücken zu und sah aus dem Fenster.
»Ich denke«, begann er mit leichter Verunsicherung in seiner Stimme, »er hasste die ganze Familie.«
Joshua leuchtete diese Vermutung nicht ein.
»Haben Sie ihn denn schon?«
»Nein, Herr Groding ist noch flüchtig.«
Joshuas Blick bohrte sich dabei in die Augen von Skopje. Dieser hielt dem Blick nicht stand und drehte sich erneut um. Er nahm sein Glas mit zur Anrichte neben dem Fenster und trank stumm einen Schluck Mineralwasser. Joshua zuckte kurz zusammen, als die Türe mit einem Ruck geöffnet wurde und ein stämmiger, hünenhafter Mann den Raum betrat. Er trug schulterlanges, blondes Haar, einen schwarzen Anzug und ein dunkles Sweatshirt. Seine kristallklaren, hellblauen Augen unterstrichen Joshuas Vermutung auf seine nordeuropäische Herkunft. Einzig die gebräunte Haut wollte nicht so recht ins Gesamtbild passen. Der Hüne sah Skopje an und deutete dezent auf seine Armbanduhr.
»Schon gut, Norman. Wir sind, glaube ich, fertig. Entschuldigung«, er sah Joshua an und deutete dabei auf den Besucher, »das ist Norman Hellström, mein persönlicher Sekretär.«
»Angenehm, Trempe, Kriminalhauptkommissar.«
Sein Händedruck war dermaßen stark, dass Joshuas Ehering am kleinen Finger schmerzte. Als habe er mit einer Frage gerechnet, setzte Skopje nach:
»Vielleicht haben Sie eine Sekretärin erwartet? Aber Norman ist äußerst vielseitig und somit für meine Anforderungen bestens geeignet.«
Joshua nickte fast unmerklich.
»Hat Schändler die Forschungsergebnisse mit zu sich nach Hause genommen und sie dort aufbewahrt?«
Skopje warf seinem Sekretär einen kurzen Blick zu. Joshua hatte das Gefühl, einen brisanten Punkt angesprochen zu haben. Die Antwort kam sehr schnell. Ohne das kurze Zögern, das Joshua erwartet hatte.
»Nein. Es ist hier alles bestens gesichert.«
»Aber möglich wäre es?«
»Möglich ist viel. Aber wie gesagt, sind unsere Untersuchungsergebnisse hier in besten Händen und wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich habe noch einen Termin«, er wies dabei mit seinem linken Arm zur offenen Tür.
»Auf Wiedersehen, Herr Skopje. Ich melde mich, falls noch Fragen auftauchen. Auf Wiedersehen, Herr …«
»Hellström«, antwortete Skopje.
Joshua verzichtete darauf, dem Sekretär die Hand zu geben und verließ das Büro. Er überlegte sich, ob er weiter gekommen war. Für den Fall, das Schändler wirklich keine geheimen Firmenunterlagen in seinem Tresor aufbewahrte, müsste er den Grund für den Einbruch woanders suchen. Die Aussage seiner Tochter könnte darauf hinweisen, dass Schändler eine Art Alleingang startete. Aber wozu, er war doch der uneingeschränkte Chef der Firma? Mit einer Handbewegung grüßte er Skopje und seinen Sekretär, die einige Meter vor ihm in einen schwarzen Cadillac einstiegen. Sie sahen ihn nicht. War es möglich, dass Schändler Kopien in seinem Tresor aufbewahrte, aus welchem Grund auch immer.
Joshuas Magen meldete sich. Er suchte zunächst die Kantine auf. Von weitem sah er, wie Kalle lustlos sein Essen zu einem undefinierbaren Brei verrührte. Ein Blick auf die Tafel mit dem Tagesmenü verriet ihm, dass dieser Brei dem Ursprung nach Kartoffelpüree mit Spinat war. Er bestellte sich eine Currywurst mit Pommes und setzte sich damit zu seinem Kollegen. Kalle wirkte übernächtigt. Die Ringe unter seinen Augen zeichneten sich deutlich ab. Immer wieder unterdrückte er mühsam ein Gähnen.
»Johanna hat uns die ganze Nacht auf Trab gehalten, sie bekommt Zähne. Petra ist auch wie gerädert.«
»Ich habe dich gewarnt«, antwortete Joshua grinsend, »gibt es denn irgendwelche Neuigkeiten?«
Kalle berichtete ihm über die nach wie vor erfolglose Suche nach Till Groding. Mittlerweile wurden im Radio Suchmeldungen nach ihm durchgegeben. Kalle regte sich darüber auf, dass Groding dabei als mutmaßlicher und möglicherweise bewaffneter Schwerstverbrecher hingestellt wurde.
»Möchte mal wissen, wer sich so einen Mist ausdenkt. Löst doch nur unnötige Hysterie aus. Außerdem stellen die uns wieder als die Deppen hin!«
Joshua freute sich über das kollegiale und integre Verhalten seines Kollegen.
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