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Zugzwang

Zugzwang

Titel: Zugzwang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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stellt der Staat immer weniger Gelder für die Forschung zur Verfügung. Das hat zur Folge, dass viele Institute für die freie Wirtschaft arbeiten. Und die sind nicht in erster Linie an der Heilung von Alkoholsucht interessiert, wie Sie sich denken können.«
    »Es lebe der Kommerz«, antwortete Joshua zynisch.
    »Ist nicht unbedingt verkehrt. Oder möchten Sie bei Ihrer nächsten Krankheit zu einem Druiden gehen, der Ihnen Medikamente aus dem Zauberwald zusammenbraut?«
    Joshua bedankte sich herzlich bei dem Arzt und ging hinaus. Sein Magen knurrte, er dachte an seine letzte Mahlzeit, zwei Käsebrötchen heute Morgen.
    Zwanzig nach vier. Zu spät, er musste zu Viktor durchfahren. Vielleicht hatte sein Kollege ja ein paar Schnittchen vorbereitet?

    Viktor wohnte mit seiner Frau in einem kleinen alten Fachwerkhaus in Anrath bei Krefeld. Sie hatten es vor fünfzehn Jahren günstig erstanden. Allerdings mussten sie die gleiche Summe noch einmal in die Restaurierung stecken. In dieser Zeit verabschiedete sich Viktor von seinem Traum, nach seiner Pensionierung wieder in seine bayrische Heimat zu ziehen. Die Liebe zog ihn in jungen Jahren an den Niederrhein, aber eben diese Liebe wollte keinesfalls nach Bayern ziehen. Anfangs tat er sich schwer, litt unter Heimweh. Im Laufe der Jahre fühlte er sich aber immer heimischer.

    Das große Grundstück wurde von hohen Fichten umsäumt, die jeden Durchblick verwehrten. Joshua war eine Viertelstunde zu früh. Er wunderte sich deshalb auch nicht, dass noch kein Auto der Kollegen vor der Tür stand. Er hatte gerade geklingelt, als Frau Dreiseitl kam und ihn freundlich empfing. Sie führte ihn durch das Haus in den Garten. Am Ufer eines riesigen Teiches, der das halbe Grundstück ausfüllte, lag eine geräumige Holzhütte. Sie hatten schon des ö fteren Viktors Geburtstag dort gefeiert. Zu vorgerückter Stunde landeten bei diesen Gelagen immer einige Gäste im Teich. Zuletzt kam es dabei zu gewissen Verstimmungen mit der Frau des Hauses, weil Marlies nackt im Teich lag und Viktor seine Hände schützend unter ihren Rücken hielt.
    Als Joshua eintrat, sah er erstaunt in die Runde. Marlies, Kalle, Viktor und Daniel saßen bereits um den klobigen Holztisch und prosteten sich zu.
    »Hallo. Was ist das denn? Habt ihr nichts zu tun?«
    Sofort breitete sich Gelächter in der Runde aus.
    »Das hat Winnie uns auch schon gefragt«, meldete sich Kalle, »als wir um vier gegangen sind. Wir haben ihm gesagt, dass unser Dienst zwischen fünfzehn und siebzehn Uhr endet. Und da wir alle um sieben angefangen haben … Der hat vielleicht blöd geguckt.«
    Sie begannen zu grölen und prosteten sich erneut zu. Neben dem Tisch stand ein kleiner Zapftisch mit einem Fass Bier. Sie standen alle hinter ihm, stellte Joshua zufrieden fest. Sie ließen Winnie auflaufen. Joshua konnte sich nicht daran erinnern, dass sie während einer Mordermittlung schon mal dienstplanmäßig Feierabend gemacht hatten. Im Gegenteil, oft schliefen sie zwischendurch ein paar Stunden auf einer Pritsche im Keller. Winnie hätte natürlich Überstunden anordnen können, wusste aber vermutlich genau, dass die Kollegen sie bestenfalls abbummeln würden. Ihm waren die Hände gebunden. Wenn seine Bediensteten nicht mit seinen Entscheidungen einverstanden waren, konnte er ziemlich alleine dastehen. Sie gaben ihm in dem Fall unmissverständlich zu verstehen, dass sie hinter Joshua standen.
    »Wie seid ihr eigentlich hergekommen?«
    »Mit dem Taxi. Wir wollen anschließend noch ein biss-chen trinken und quatschen.«
    Marlies genoss es jedes Mal, mit den Kollegen zu feiern. Sie hatte kaum Freunde. Der Beruf nahm sie die ganze Woche in Anspruch und das Wochenende gehörte uneingeschränkt ihrem Sohn. Ausnahmsweise war sie heute, wenn auch sehr dezent, geschminkt. Sie trug ein leicht verblasstes T-Shirt von Greenpeace mit dem legendären Ausspruch der Creek-Indianer. Wenn sie es mit ihrem Sohn vereinbaren konnte, engagierte sie sich gelegentlich für diese Umweltorganisation. Kalle stierte unverhohlen auf ihre Brust und las laut die Weisheit vom letzten gerodeten Baum und der Tatsache, dass man Geld nicht essen kann, vor. Marlies verzog ihr Gesicht. Dann unterbrach Viktor ihn.
    »Genau, Marlies. Außerdem brauchen wir ja morgen erst um neun zum Dienst. Gleitzeit.«
    Sofort machte sich wieder lautes Gelächter breit. Joshua freute sich über die Solidarität seiner Kollegen, dennoch mussten sie zuerst arbeiten.
    »Ich danke euch für eure

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