Zugzwang
ganz oben und mit mehreren Kringeln umrandet. Joshua schaltete den PC ein. Er wollte versuchen, im Internet an Informationen zu gelangen. Während der Computer hochfuhr, holte er sich eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank. Nach dem vielen Kaffee fühlte er sich nicht besonders gut. Ihm fehlte die Bewegung. Die Bolzerei mit David auf der alten Wiese hinter dem Weiher. Die Fahrradtouren, das Joggen. Er ließ sich hängen, was seine Laune täglich verschlechterte. Janine hatte sich immer noch nicht gemeldet, schoss es ihm durch den Kopf. Sie musste den Anrufbeantworter doch schon längst abgehört haben und seine Handynummer hatte sie auch. Mit leerem Blick starrte er auf den Monitor, der sich mit Symbolen füllte.
Mit einem Ruck riss er sich aus seiner Melancholie und suchte nach dem Internetzugang. Wahllos klickte er sich durch die verschiedenen Menüebenen. Er überlegte, wo er den DFÜ-Ordner finden könnte und verhaspelte sich immer mehr in Untermenüs. Plötzlich sprang ihm ein Ordner mit dem Titel ›Kollegen‹ in die Augen. Er öffnete ihn und staunte. Etliche Dateien mit den Namen seiner Kollegen befanden sich dort. Er klickte den Ordner mit seinem Namen an. Es öffnete sich ein Fenster, das ihn dazu aufforderte, ein Passwort einzugeben. Joshuas Hand schlug auf die Schreibtischplatte. Zu gerne würde er den Inhalt dieser Datei einsehen. Er gab auf und fuhr den Rechner wieder herunter. Daniel wurde ihm langsam unheimlich. Warum legte er Ordner über seine Kollegen an? Was für Daten sammelte er darin? Joshua konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit. Er nahm sich das Telefon und rief Viktor an. Bei ihm war die Lage unverändert. Skopje und Bönisch waren nicht dort eingetroffen. Joshua legte auf und sah auf die Uhr. Bei normalem Verkehr hätten sie längst da sein müssen. Aber warum sollte Skopje seinen Sekretär kommen lassen, um einen Verfolger abzuschütteln. Nicht, weil er sich mit Baker treffen wollte, war Joshua sich jetzt sicher. Dann kam ihm ein Verdacht. Er wählte die Nummer von Kalles Handy.
»Wieso wussten sie davon, dass sie verfolgt werden? Bitte, das ist jetzt kein Vorwurf, aber konnten sie dich bemerken?«
Kalle überlegte ein paar Sekunden und Joshua hoffte, er würde es nicht falsch auffassen.
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ich habe extra keinen Dienstwagen benutzt, habe immer sehr großen Abstand gehalten und drei, vier Wagen zwischen uns gehabt. Ich weiß absolut nicht, wie sie darauf gekommen sind.«
Das hatte Joshua befürchtet. Sie waren ihnen einen Schritt voraus. Ihm fielen die Hautsegmente ein, die unter den Fingernägeln von Groding gefunden wurden. Sie mussten einen DNA-Vergleich mit den drei observierten Personen und dem Sekretär von Skopje machen. In seinem Inneren meldete sich Hoffnungslosigkeit bei dieser Idee. Sie zeigten keinerlei Anzeichen von Nervosität. Den erfolgreichen Versuch von Skopje, seinen Kollegen abzuhängen, wertete Joshua nicht als solches. Er nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche, als sein Handy sich meldete. Es war Elsing. Kurz und knapp verlangte er von Joshua, sofort zur Dienststelle zu kommen.
Elsing sah ihn nur an, ohne ihn zu grüßen, als Joshua sein Büro betrat. Sein Gesichtsausdruck war starr. Nicht die Spur eines Gefühles war darin zu lesen. Sein Blick wirkte hämisch. Joshua betrachtete das Hemd seines Vorgesetzten. An der Stelle des Bauches, an der sein Hemd die größte Spannung verkraften musste, hatte sich ein Knopf gelöst und baumelte, an einem dünnen Faden hängend, herunter. Unaufgefordert setzte Joshua sich seinem Dienststellenleiter gegenüber.
»Du brauchst es dir gar nicht großartig gemütlich machen«, in seiner Stimme klang Hohn, »ich hatte dich gewarnt. Du warst gestern bei einem Herrn Bönisch und hast diesen befragt. Dienstlich befragt wohlgemerkt. Dein Urlaub ist ab sofort beendet, Du meldest dich bitte morgen früh um acht bei Ralf Lindenfeld, KK 9, zum Dienst. Das wär’s.«
Joshua packte die Wut. Nur mit Mühe schaffte er es, sich nichts anmerken zu lassen. Diesen Triumph gönnte er Elsing nicht. Wortlos stand er auf und ging hinaus. KK 9, Sitte. Das Verhältnis zu Elsing war eigentlich immer gut, was hatte sich geändert? Konnte er ihm Groding wirklich vorwerfen, nach dem derzeitigen Aktenstand?
Joshua lief zum Parkplatz. Kurz stützte er sich mit ausgestreckten Armen vom Lenkrad ab und atmete tief durch. Anschließend startete er den Motor und fuhr zum Krankenhaus.
Am Bett
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