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Zuhause ist ueberall

Zuhause ist ueberall

Titel: Zuhause ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Coudenhove-Kalergi
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Schönwald ist mit Georg Eisler befreundet. Rudi, der Zeichner, Georg, der Maler, und Alfred, der Bildhauer, kennen einander von der Kunstakademie her und bilden einige Jahre lang mit ihrem Kollegen Fritz Martinz ein linkes Künstlerquartett, bis Rudi sich aus politischen Gründen mit dem Brachial-Linken Alfred Hrdlicka zerstreitet. Für mich ist Georg in jenen frühen Jahren so etwas wie ein Sendbote aus der großen Welt der Kommunisten.
    Sein Vater war der engste Kompagnon des großen Bert Brecht. Sein Onkel Gerhart Eisler war in den Zwanzigerjahren Beauftragter der Kommunistischen Internationale in China und in der Anfangszeit der DDR deren Rundfunkchef. Seine Tante Elfriede Eisler, bekannt unter dem Namen Ruth Fischer, war Mitbegründerin der Kommunistischen Partei Österreichs, kurzzeitig Vorsitzende der KPD und wurde später eine erbitterte Kritikerin Stalins. Kommunistischer Hochadel, sagt Rudi. Georg ist als Kind vor den Nazis nach England in Sicherheit gebracht worden und hat dort bei Oskar Kokoschka Malerei studiert. Er ist ein massiver junger Mann, zugleich witzig und schüchtern. Er liebt alles, was englisch ist. In Wien ist seine eigentliche Heimat die Kommunistische Partei. Wir machen uns ein bisschen lustig über unseren Freund, samt seiner berühmten Verwandtschaft, aber wir mögen ihn gut leiden.
    Eines Tages im Jahr 1964 kündigt Georg an, nicht ohne Stolz, dass er den Genossen Franz Marek zusammen mit uns eingeladen hat. Dieser ist in KP-Kreisen eine Legende, hochdekorierter Kämpfer in der französischen Résistance, Herausgeber des theoretischen Organs der Partei, Weg und Ziel , Mitglied des Politbüros, Chefideologe. Ich bin gespannt. Franz kommt, redet wenig, bringt etwas zu essen mit. Georg empfängt ihn mit für seine Verhältnisse ungewohntem Respekt. Ich, immer bereit zur Heldenverehrung, bin sofort fasziniert. Dieser Mann, um einiges älter als ich, mit einer Biographie, die von der meinigen nicht verschiedener sein könnte, wird die große Liebe meines Lebens. Einige Zeit später sind wir ein Paar, und irgendwann heiraten wir.

Franz Marek
    Der große englische Historiker Eric Hobsbawm hat 2009, lange nach Franz’ Tod, in einer Umfrage der Zeitung Guardian Franz Marek als den Mann genannt, den er in seinem Leben am meisten bewundert hat: »Franz Marek, österreichischer Kommunist, Kind galizischer Flüchtlinge, geboren als Ephraim Feuerlicht, hat die üblichen Heldentaten in der französischen Résistance überlebt […] Aber das ist nicht der Grund, weswegen ich ihn als meinen Helden gewählt habe.
    Als ich diesen untersetzten, skeptischen, lakonischen, beeindruckend intelligenten Mann kennenlernte, war er noch ein führendes Mitglied in der Partei, der er 1934 beigetreten war. Selbst beim Wandern im Wienerwald strahlte er eine Art selbstloses Charisma aus. Aber er gehörte schon damals zu der verlorenen Generation der reformorientierten ›Eurokommunisten‹, deren letzte Überlebende Gorbatschow und der derzeitige Präsident Italiens sind. Nach dem Prager Frühling 1968 wurde er aus der Partei gedrängt und verlor die einzige bezahlte Stellung, die er seit seinem 20. Lebensjahr innegehabt hatte, die des ›Berufsrevolutionärs‹. Dafür hatte er seine wissenschaftlichen Ambitionen aufgegeben. Die Komintern hatte ihm seine erste neue Jacke und seine ersten neuen Hosen geschenkt, denn für Kinder von bildungshungrigen galizischen Juden ohne Geld waren solche Luxusgüter unerschwinglich. Die nächsten elf Jahre verbrachte er mit falschen Papieren.
    Franz Marek wurde bald Leiter der Untergrundaktivitäten der jetzt illegalen Kommunistischen Partei. Er war offensichtlich ein Naturtalent für diese Arbeit. Sie machte ihm Freude, erfüllte sein Leben und blendete, wie er später feststellte, alles andere aus. […] ›Es brauchte den Schock von 1956‹, sagte er, ›um mich für starke Gefühle zu öffnen, einschließlich der Liebe.‹ Er arbeitete noch immer an der Verbesserung der Welt, als er mit 66 Jahren an einem lang erwarteten Herzinfarkt starb. Alle seine irdischen Güter passten in zwei Koffer. Ein Held des 20. Jahrhunderts? Ich denke: ja.«
    Ich denke das auch.
    Die Kommunisten sind in Wien in den Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren absolute Outcasts. Kurz nach dem Krieg gab es im Zeichen der Ablehnung der Naziherrschaft eine Periode der Zusammenarbeit – die Zeitung Neues Österreich war ein Symbol dafür –, aber damit war bald Schluss. Der Kalte Krieg kannte nur Freunde

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