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Zuhause ist ueberall

Zuhause ist ueberall

Titel: Zuhause ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Coudenhove-Kalergi
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dem Wunsch ihrer Söhne konfrontiert, mit ihren Eltern und ihren kleinen Kindern richtig Pessach zu feiern.
    Peter Smolka ist ein eindrucksvoller Mann. Auch er, assimilierter Großbürgersohn, war als Jugendlicher in Wien wie Bruno Kreisky Anhänger der Paneuropa-Union meines Onkels Dicky, ging dann nach links und emigrierte mit seiner jungen Frau nach England. Als Korrespondent der Times kam er nach dem Krieg nach Österreich zurück und musste feststellen, dass er an multipler Sklerose erkrankt war. Was jetzt tun? Als Journalist zu arbeiten war ab sofort unmöglich. Peter, schon schwer gehbehindert und danach jahrelang im Rollstuhl, übernahm – was er bis dahin stets abgelehnt hatte – die rückgestellte Fabrik seines Vaters und machte sie zu einem erfolgreichen Unternehmen. Er baute ein Haus, das nicht nur architektonisch interessant, sondern auch nach neuesten Erkenntnissen behindertengerecht angelegt war.
    Wir sind gern bei den Smolkas eingeladen. Die Gespräche dort sind so anregend, der Hausherr ist so souverän und gelassen, dass man als Gast schnell vergisst, dass er vollständig gelähmt ist und bei Tisch von seiner Frau, nonchalant und selbstverständlich, gefüttert werden muss. Und jetzt soll also eine Pessachfeier stattfinden. Wo jemanden hernehmen, der sich da auskennt? Ausgerechnet Franz, Agnostiker und Oberkommunist, wird zu Hilfe gerufen. Und so erlebe ich mit, wie der kleine Enkel fragt: Warum ist dieser Tag anders als andere Tage?, und Franz, ganz jüdischer Hausvater, auf Hebräisch die Hagadah singt, die Geschichte vom Auszug der Kinder Israels aus Ägypten.
    Um diese Zeit ist der Traum vom Sozialismus mit menschlichem Gesicht, von der Verbindung von Sozialismus und Demokratie und von dem »Wandel durch Annäherung« von Ost und West schon ausgeträumt. Der Eurokommunismus ist mausetot. In der österreichischen wie in der tschechischen kommunistischen Partei hat mit den Siebzigerjahren die »Normalisierung« Platz gegriffen. Man marschiert wieder im festen Gleichschritt mit der Sowjetunion, die ihrerseits ihrem Ende entgegengeht. Die Eurokommunisten Franz Marek und Ernst Fischer gelten nun als Verräter. 1969 hat Franz bei einem dramatischen Parteitag noch ein letztes Mal das Wort vor seinen Genossen ergriffen und dabei einen großen Teil der Delegierten überzeugt: Als Fischer und er danach aus der KPÖ ausgeschlossen werden, legt die überwältigende Mehrheit der Intellektuellen, der Gewerkschafter und der Jungen in der Partei ihre Parteibücher zurück und geht mit ihnen.
    Was den »Revisionisten« bleibt, ist die einstige Kulturzeitschrift der KP, das Wiener Tagebuch . Franz ist der Chefredakteur, Toni Lehr die Geschäftsführerin. Beide arbeiten gratis. Die Zeitschrift hat wenig Geld. Aber in diesem Blatt schreiben viele wichtige Intellektuelle aus ganz Europa, und einige junge österreichische Autoren, die später bekannte Schriftsteller werden, finden hier ihre erste Plattform: Martin Pollack, Erich Hackl, Karl-Markus Gauß. Das Tagebuch wird zu einem Kristallisationspunkt der unabhängigen Linken.
    Franz diskutiert gern mit den Jungen. Ein paar gute Jahre sind ihm noch beschieden. Wir erleben eine glückliche Zeit. Für Franz ist es nicht mehr das Glück des Kampfes für eine vermeintlich gerechte Sache, von keinem Zweifel angekränkelt. Spießerglück ist auch Glück, sage ich zu ihm. Genieß es. Das tut er auch, aber ganz heilt die Wunde nie. Es ist Franz schwer gefallen, sich von der Partei zu lösen, der er in jungen Jahren sein Leben geweiht hat. Möglich, dass ihm dieser Bruch letztlich das Herz gebrochen hat. Sein Freund Ernst Fischer schreibt ein Buch, das 1973 posthum erscheint. Der Titel: »Das Ende einer Illusion«.

1968 – eine Illusion und ihr Ende
    Im Juni 1968 herrscht herrliches Frühlingswetter. Ich fahre mit Franz nach Prag, mitten hinein in den blühenden, fröhlichen, pulsierenden, spannungsgeladenen Prager Frühling. Die Stadt, früher grau und mieselsüchtig, ist wie verwandelt. Wir kommen uns vor wie im Süden. Vor dem Jan-Hus-Denkmal auf dem Altstädter Ring sitzen junge Leute, spielen Gitarre, singen, nicht laut und besoffen, sondern leise, glücklich, verliebt. Viele lächelnde Gesichter. Wildfremde Leute sprechen einander an. Ist es nicht schön hier?, fragen sie einander. Schönen Tag noch! Ich kenne meine grantigen Prager nicht wieder.
    Kann es sein, dass Politik eine ganze Stadt verzaubert?
    Seit Jänner gibt es einen neuen Vorsitzenden der

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