Zuhause ist ueberall
überzeugte Feministin, kommt aus Norddeutschland und Schwester Martina, die es fertigbringt, auch noch im Nonnengewand schick auszusehen, aus Ungarn. Schwester Martha, die ehemalige Laienschwester, werkt unermüdlich im Garten und ist von der vielen Arbeit schon ganz krumm. Schwester Martha, sage ich, machst du denn gar nie eine Pause? Sie sieht mich nur kurz an und sagt: Bei uns wird entweder gearbeitet oder gestorben.
Arbeit ist wichtig im Kloster. Und die Benediktregel sagt, dass man das Arbeitsgerät genauso sorgfältig behandeln muss wie das Altargerät. Aber zu wichtig darf die Arbeit auch wieder nicht werden. Man will hier keine Fachidioten. Wer zu sehr in seiner Arbeit aufgeht und wer sich zu sehr mit dieser identifiziert, der soll anderswohin versetzt werden, denn das Allerwichtigste soll für den Mönch und die Nonne eben doch seine und ihre eigentliche Aufgabe sein, das Beten.
Gibt es gar keine Reformen in Pertlstein? Doch, eine Neuerung hat das Zweite Vatikanische Konzil dem tausendjährigen Orden der Benediktiner und Benediktinerinnen gebracht: Es gibt keine Unterscheidung mehr zwischen sogenannten Chorfrauen und sogenannten Laienschwestern. Alle Klassenunterschiede sind aufgehoben und alle Schwestern gleich. Das bedeutet unter anderem, dass die feinen Damen, die ins Kloster gehen, dort auch die schwere Dreckarbeit machen müssen und die Bauernmädchen Latein lernen. Schmunzelnd zeigt mir Mutter Maria Antonia auch eine Art Deponie für kaputtes Werkzeug, die die Schwestern das »Culpagrab« nennen. Früher musste, ebenfalls nach mittelalterlichem Brauch, jede, die ein Arbeitsgerät beschädigte, sich dafür vor dem ganzen Konvent mit einem feierlichen »mea culpa« entschuldigen. Das war denn doch ein bisschen zu viel der Ehre für Sachen, die man heute in jedem Baumarkt nachkaufen kann.
Nicht verändert haben sich die Bräuche bei den Mahlzeiten. Man sitzt stumm an den großen Tischen im Refektorium, eine Schwester geht herum und schöpft die Suppe in die gelben Tonschüsseln, die man vor sich stehen hat. Beim ersten Mal ließ ich ahnungslos ein paar Löffel Suppe stehen. Zu meinem Schaden, denn in diese Schüsseln wird nachher heißes Wasser nachgegossen, und darin spült man sein Besteck. Wenn nicht alles bis auf den letzten Tropfen aufgegessen ist, ist das Spülwasser fettig-trüb und daher eher eklig. Abgetrocknet wird mit einem Tuch, das jede in einer Schublade unter der Tischplatte aufbewahrt. Einmal in der Woche wird es gewechselt. Ein gewöhnungsbedürftiges Ritual, das vermutlich aus Zeiten und Gegenden stammt, in denen Wasser kostbar war.
Während wir essen, tritt vorn am Lesepult Friedl Resseguier auf den Plan. Nach alter benediktinischer Sitte wird bei den Mahlzeiten nicht geplaudert, sondern einer geistlichen Lesung gelauscht. In Pertlstein ist zurzeit eine Biographie der Hildegard Burjan dran, der Politikerin und Gründerin der Caritas Socialis. Friedl ist die Witwe eines Botschafters und einstigen Kabinettchefs von Bruno Kreisky während dessen Zeit als Außenminister, die sich als agnostisch bezeichnet und mit Kirche und Christenglauben nichts im Sinn hat. Trotzdem lebt sie sechs Monate des Jahres in Pertlstein, während der übrigen sechs reist sie in der Welt herum und besucht ihre Freunde. Sie ist mit der Äbtissin befreundet und hat sich mit dieser auf den Status einer Oblatin geeinigt, einer permanenten Bewohnerin des Klosters, die aber nicht dem Konvent angehört. Warum tust du das?, frage ich Friedl und höre: Weil das Leben hier menschenwürdiger ist als das Leben einer alleinstehenden Pensionistin in der Großstadt. Bei den Mahlzeiten fungiert sie mit ihrer melodischen Burgtheaterstimme als Lektorin. Manchmal vertritt sie auch Schwester Gregoria an der Pforte. Sie trägt dabei ein selbstentworfenes Kostüm, eine Mischung aus Maria Stuart und Witwe Bolte.
2008 haben die letzten Benediktinerinnen die Abtei St. Gabriel verlassen
Meine Schweigsamkeit hat die Äbtissin deswegen gelobt, weil im Kloster wenig geredet wird. Man spricht untertags nur das Nötigste. Für Gespräche ist die tägliche Rekreation da, eine Stunde nach dem Mittagessen. Das reicht. Und auch da gibt es eine strikte Regel: kein Gerede über Krankheiten. Für eine Gemeinschaft von überwiegend alten Frauen, von denen vermutlich jede irgendein Wehwehchen hat, finde ich das eine bemerkenswerte Leistung.
Ich fühle mich wohl in Pertlstein. Und auch für die Gäste, von denen viele jedes Jahr für eine oder
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