Zum ersten Mal verliebt
Feigling.«
»Das bist du nicht. Erinnere dich doch, wie du damals gegen Dan Reese gekämpft hast.«
»Ein einziger Ausbruch von Mut reicht nicht fürs ganze Leben.«
»Walter, Vater hat mal gesagt, das Problem bei dir sei deine empfindsame Natur und deine lebhafte Phantasie. Ich glaube, ich weiß jetzt, was er meinte. Du spürst die Dinge, bevor sie wirklich passieren. Du spürst sie, wenn es sonst nichts gibt, was dir hilft sie zu ertragen. Ich kann das nicht sehr gut ausdrücken, leider. Aber du brauchst dich nicht zu schämen. Als du undjem euch vor zwei Jahren die Hand verbrannt habt, als das Gras auf den Dünen Feuer fing, da hat Jem doppelt so viel Geschrei gemacht wie du. Und was diesen dummen Krieg angeht, da gibt es ohne dich genug andere, die hingehen. Er wird sowieso nicht lange dauern.«
»Wenn ich das nur glauben könnte. So, es ist Zeit zum Abendessen, Rilla. Lauf du lieber nach Hause. Ich mag nichts essen.«
»Ich auch nicht. Ich könnte jetzt keinen Bissen hinunterkriegen. Lass mich hier bei dir bleiben, Walter! Es tut so gut, mit jemandem zu reden. Die anderen denken alle, ich wäre noch viel zu klein, um das alles zu verstehen.«
So saßen sie also zusammen in ihrem vertrauten Tal, bis der Abendstern durch eine blassgraue Wolke über dem Ahornwäldchen hindurchschien und die süß duftende, taufeuchte Dunkelheit sich herabsenkte. Die Erinnerung an diesen Abend hütete Rilla wie einen Schatz. Es war das erste Mal gewesen, dass Walter zu ihr sprach wie zu einer erwachsenen Frau und nicht wie zu einem Kind. Sie trösteten sich gegenseitig und machten einander Mut. Walter hatte - zumindest im Augenblick - das Gefühl, dass es so verachtenswert gar nicht sei, wenn man Angst hatte vor den Schrecken des Krieges. Und Rilla war stolz, dass er sie zu seiner Vertrauten gemacht hatte und sie mit ihm fühlen und ihn ermutigen konnte. Endlich war da jemand, dem sie wichtig war.
Als sie nach Hause zurückkehrten, trafen sie auf der Veranda einige Besucher an. Mr und Mrs Meredith waren vom Pfarrhaus herübergekommen und Mr und Mrs Norman Douglas von ihrer Farm. Auch Cousine Sophia war da und saß mit Susan etwas weiter hinten im Schatten. Anne, Nan und Di waren außer Haus, aber Gilbert war da und auch Dr. Jekyll, der majestätisch oben auf der Treppe thronte. Natürlich sprachen alle vom Krieg, bis auf Dr. Jekyll, der seine Meinung für sich behielt und so verächtlich dreinschaute, wie das nur eine Katze kann. Wenn sich in jenen Tagen zwei Menschen begegneten, dann war der Krieg das einzige Gesprächsthema. Und der alte Hochlandschotte aus Harbour Head sprach sogar davon, wenn er alleine war, und stieß die schlimmsten Verwünschungen gegen den Kaiser aus, sodass es über all seine Ländereien hinweg zu hören war. Walter schlich sich davon. Er wollte weder Leute sehen noch selbst gesehen werden. Rilla aber setzte sich auf die Treppe, an der Stelle, wo der taufrische Pfefferminz besonders stark duftete. Es war ein sehr ruhiger Abend und ein zartgoldenes Abendrot ließ das Tal erstrahlen. So froh war sie lange nicht mehr gewesen in den vergangenen schrecklichen Wochen. Endlich brauchte sie keine Angst mehr zu haben, dass Walter in den Krieg ziehen würde!
»Ich würde auch gehen, wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre!«, rief Norman Douglas gerade. Norman wurde immer laut, wenn er aufgeregt war. »Ich würde es dem Kaiser schon zeigen! Habe ich je behauptet, es gäbe keine Hölle? Natürlich gibt es die. Dutzende von Höllen, hunderte von Höllen, überall da, wo der Kaiser sich mit seiner Brut herumtreibt.«
»Ich hab den Krieg kommen sehen«, behauptete Mrs Norman triumphierend. »Schon lange hab ich den kommen sehen! Ich hätte diesen dummen Engländern gleich sagen können, was auf sie zukommt. John Meredith, habe ich dir nicht schon vor Jahren gesagt, was der Kaiser im Schilde führt? Aber du wolltest mir ja nicht glauben. Der würde es nie auf einen Krieg ankommen lassen, hast du gesagt. Und wer von uns beiden hat Recht behalten? Du oder ich? Na, sag schon!«
»Du, zugegebenermaßen«, sagte Mr Meredith.
»Jetzt ist es zu spät, irgendwas zuzugeben«, sagte Mrs Norman und schüttelte den Kopf, als ob der Krieg vermeidbar gewesen wäre, wenn ihr Mann es früher zugegeben hätte. »Zum Glück ist Englands Kriegsmarine einsatzbereit«, sagte Gilbert.
»Ja, Gott sei Dank«, nickte Mrs Norman. »Stockblind, wie die meisten von denen sind, hat zumindest einer die Dinge kommen sehen.«
»Vielleicht
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