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Zum ersten Mal verliebt

Titel: Zum ersten Mal verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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schafft England es ja, sich aus dem Schlimmsten rauszuhalten«, sagte Cousine Sophia und setzte ihre Leidensmiene auf. »Ich weiß es nicht. Aber ich mache mir große Sorgen.«
    »Man sollte doch annehmen, dass England jetzt schon mittendrin steckt, Sophia Crawford«, sagte Susan. »Aber deine Gedankengänge kann ich sowieso nicht nachvollziehen. Meine Meinung ist jedenfalls, dass die britische Marine Deutschland im Nu den Garaus machen wird, und dann haben wir uns alle umsonst aufgeregt.«
    Susan klang, als wollte sie weniger die anderen als sich selbst von dieser Meinung überzeugen. Sie hatte ihre eigene, selbst gesponnene Philosophie, an die sie sich hielt. Aber gegen die schrecklichen Schreckschüsse der letzten Woche konnte auch sie sich nicht zur Wehr setzen. Was hatte schon eine rechtschaffene, fleißige, presbyterianische alte Jungfer von Gien St. Mary mit einem Krieg zu schaffen, der tausende von Meilen weit entfernt stattfand? Susan fand es einfach ungerecht, dass sie damit belästigt wurde.
    »Die britische Armee wird Deutschland den Garaus machen!«, rief Norman. »Wartet nur, bis die an die Front kommt, dann wird der Kaiser schon merken, dass ein richtiger Krieg was anderes ist, als mit gezwirbeltem Schnurrbart um Berlin herumzumarschieren.«
    »England hat doch gar keine Armee«, bemerkte Mrs Norman. »Du brauchst mich gar nicht so anzuglotzen, Norman. Davon sprießen auch keine Soldaten aus der Erde. Hunderttausend Mann sind doch bloß ein Happen für Deutschlands Millionen.« »Aber ein ganz schön zäher Happen, schätze ich«, sagte Norman hartnäckig. »Deutschland wird sich die Zähne daran ausbeißen. Ein Engländer ist doch so viel wie zehn Ausländer. Ich könnte ein ganzes Dutzend von denen mit verbundenen Händen erledigen!«
    »Ich habe gehört, dass der alte Mr Pryor nicht an diesen Krieg glaubt«, sagte Susan. »Er meint, dass England nur mitmacht, weil es neidisch sei auf Deutschland, und was mit Belgien passiert ist, sei England ganz egal.«
    »So ein Unsinn sieht ihm wieder ähnlich«, sagte Norman. »Gut, dass ich nicht dabei war, als er das gesagt hat, sonst würde dieses Mondgesicht mit Schnauzbart nicht mehr wissen, wo ihm der Kopf steht. Kitty Alec, so ein >netter< Verwandter von mir, schwingt auch immer solche Reden. Allerdings nicht, wenn ich dabei bin. Komisch, irgendwie haben die Leute in meiner Gegenwart kein so loses Mundwerk. Die haben wohl so eine dumpfe Vorahnung, dass ihnen das nicht gut tun würde.«
    »Ich fürchte, dieser Krieg ist uns geschickt worden als Strafe für unsere Sünden«, sagte Cousine Sophia, indem sie ihre blassen Hände vom Schoß nahm und sie weiter oben wieder faltete. »Die Welt wird immer schlimmer mit der Zeit.« »Unser lieber Pastor hier denkt da ganz ähnlich, was, Pastor?«, sagte Norman kichernd. »Hast du uns nicht neulich gepredigt: >Ohne Blutvergießen werden uns die Sünden nicht vergeben«? Ich war damit gar nicht einverstanden. Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte dazwischengefunkt, aber Ellen hat mich zurückgehalten. Seit ich verheiratet bin, komme ich leider nicht mehr in den Genuss, mich mit den Priestern anzulegen.«
    »Ohne Blutvergießen geschieht überhaupt nichts«, sagte Mr Meredith in seiner sanften Art, mit der er jeden Zuhörer von seiner Meinung zu überzeugen wusste. »Alles muss man sich durch Selbstaufopferung erkaufen. Das Menschengeschlecht hat jede Stufe seines qualvollen Aufstiegs mit Blut gekennzeichnet. Und jetzt müssen wieder ganze Ströme davon fließen. Nein, Mrs Crawford, ich glaube nicht, dass der Krieg uns als Strafe für unsere Sünden geschickt worden ist. Ich glaube, er ist der Preis, den die Menschheit zahlen muss für irgendeine Gnade, für irgendeine Vergünstigung, die den Preis wert ist. Möglich, dass wir die nicht erleben, aber die Kinder unserer Kinder werden sie erlangen.«
    »Wenn Jerry nun getötet wird, sind deine Gefühle dann noch genauso edel?«, fragte Norman, der immer redete, wie ihm der Schnabel gewachsen war, und auch nicht einsehen wollte, dass er daran etwas ändern sollte. »Du brauchst mir gar nicht gegen das Schienbein zu treten, Ellen. Ich will nur sehen, ob der Pastor meint, was er sagt, oder ob er sich bloß aufblasen will.«
    Mr Merediths Gesicht zuckte. Es war schlimm für ihn gewesen, als er nach Jems und Jerrys Abfahrt nach Charlottetown allein in seinem Arbeitszimmer saß. Aber er antwortete ganz ruhig. »Egal, wie ich mich fühlen würde, es würde nichts an

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