Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
ankündigte. Laura ist deine Patientin, Richard. Genau wie die andern. Vergiß das nicht. Ihre Ehe stimmt nicht, du mußt ihr helfen. Sonst nichts.
Psychotherapeutische Gruppensitzung – ein Laie kann sich schwer etwas darunter vorstellen. Was geschieht da? Worüber redet man? Wer sind die anderen? Wird es nicht peinlich sein?
Laura Riffart kam auf die Minute pünktlich. Donnerstag, zwanzig Uhr, Praxis Dr. Richard Normann. In einem kornblumenblauen Sommerkostüm, die blonden Haare offen, braungebrannt, hübsch zurechtgemacht, die Lippen blaßrosa geschminkt, so stand sie vor der Tür.
Und sie dachte: Zu einem Rendezvous wäre ich nicht anders gegangen. Und sie dachte weiter: Ist es nicht eine Art Rendezvous? Bin ich nicht ausschließlich gekommen, um Richard wiederzusehen? Die Gruppe nur als Tarnung, als schäbige Rechtfertigung.
Die Sprechstundenhilfe öffnete. »Bitte, gnädige Frau, wenn Sie hier entlang gehen wollen. Die letzte Tür links!«
Mein Gott, eine Art Konferenzzimmer erwartete sie da. Ein runder Tisch in der Mitte, Aschenbecher darauf, ein paar Stühle. Vor dem Fenster standen Blumenstöcke, die machten den Raum freundlicher.
»Du wirst bald in mir nur noch den Arzt sehen«, hatte ihr Richard versprochen. Jetzt trat er auf sie zu, gab ihr die Hand, einen winzigen Augenblick lang begegneten sich ihre Blicke. Dann schob er ihr einen Stuhl zurecht. »Bitte, setzen Sie sich!«
Ja, dachte Laura, niemand konnte da Verdacht schöpfen. Es klang höflich, unpersönlich.
Die anderen waren schon da, saßen schon an diesem runden Tisch. Verlegen lächelte man sich an, musterte sich gleichzeitig, entschied über Schönheit, schätzte das Alter, stellte sofort ein paar unzutreffende Vermutungen an.
Keine Vorstellung?
Doch. Aber anders, als sie es sich gedacht hatte. Es schien da genaue Spielregeln zu geben. »Eine psychotherapeutische Gruppe soll so anonym wie möglich bleiben. Wir wollen uns kennenlernen, hier in diesem Zimmer soll die Wahrheit gesagt werden, hier darf jeder Gedanke ausgesprochen werden. Namen spielen keine Rolle.«
So kam es zu einer merkwürdigen Vorstellung. Jede sagte über sich, was sie für notwendig hielt. Und das klang dann so: »Ich heiße Stephi, bin verheiratet, habe eine vierjährige Tochter. Mein Mann ist Vertreter.«
Sie war die einzige, der Laura schon mal kurz begegnet war, auf dem Flur da draußen. Sie war ein apartes Geschöpf, schwarze Haare, wie ein Helm den Kopf umschließend, dunkle große Augen, schmalschultrig, blasser Teint.
»Ich heiße Helga, bin dreiunddreißig Jahre alt, nicht verheiratet, nicht verlobt, ich bin Direktionssekretärin.«
Laura dachte: Das Kleid hat sicher viel Geld gekostet, aber es steht ihr nicht besonders. Es ist ein viel zu strenges Braun, es macht sie älter. Sie sieht intelligent aus, hat sogar eine gute Figur, aber trotzdem – wenn ich ein Mann wäre, mein Typ wäre sie nicht.
Ellen, siebenunddreißig, verheiratet mit einem Fabrikbesitzer, ein fünfjähriger Sohn. Sie saß gleich links neben Richard. Sie war sehr gepflegt, Modellkleid, Platinarmband, ein verwirrend schöner Brillantring. Bestimmt die einzige, die einen Nerz zu Hause hatte. Sehr nervös wirkte sie, ihre Hände waren ständig in Bewegung. Ihr Gesicht war so schmal, daß man es mager nennen mußte, eingefallene Wangen.
»Ich heiße Laura, bin fünfundzwanzig, verheiratet, mein Mann ist Rechtsanwalt.«
Damit war die Runde komplett. Vier Patientinnen, ein Arzt, ein runder Tisch. Eine unmögliche Situation, fand Laura. Gewiß, es gab eine gewisse Neugier. Die Frage tauchte auf: Sitzen die im gleichen Boot wie ich? Doch was konnten ihr letztlich diese fremden Schicksale nützen?
Richard Normann saß ihr gegenüber. Sie mußte an seine Worte denken: »In diesem Zimmer soll die Wahrheit gesagt werden.« Na, und wie steht es mit unserer Wahrheit, Richard?
Soll ich es bekennen, daß wir uns heimlich lieben? Ich könnte ja noch mehr sagen: »Mein Mann ist heute in Berlin. Er hat einen Hochverratsprozeß und trifft da ein paar Leute. Er kommt erst morgen wieder. Die Gelegenheit wäre günstig für uns.«
Gedanken aussprechen, verlangst du. Ich schäme mich, es zu denken. Ich habe Viktor zum Flughafen gebracht, ich habe ihm noch nachgewinkt, als er schon auf dem Rollfeld war. Aber die Maschine war noch nicht in der Luft, da habe ich schon an dich gedacht. An unser Wiedersehen.
Und es ist doch ein Wiedersehen, wenn auch hier noch drei Frauen am Tisch sitzen. Deine Nähe
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