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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Frau, drängte es ihn also doch, sich
anderweitig umzuschauen.
Ich glaube, er hatte vor allen Dingen das Bedürfnis, seine Sehnsüchte auszusprechen, damit sie nicht eines Tages in Bitterkeit umschlugen. Das Reden ist manchmal eine Vorbeugemaßnahme gegen das Handeln. Ich wusste, er würde sich nie auf ein Abenteuer einlassen und kokettierte nur deswegen mit der Vorstellung, weil er wusste, dass er dazu nie imstande sein würde.
    «Mit Sylvie läuft’s gut?», fragte ich.
    «Sehr gut. Sie arbeitet fleißig für ihre große Ausstellung. Du solltest sie mal besuchen in ihrem Atelier. Sie würde sich bestimmt freuen.»
    «Ja, ich hab ihr versprochen, dass ich mal vorbeikomme.»
    «…»
    «Aber zwischen euch ist alles in Ordnung?»
    «Zwischen uns?»
    «Ja, zwischen euch.»
    «Wieso fragst du das?»
    «Keine Ahnung. Beziehungen sind ja manchmal auch schwierig … aber bei euch scheint immer alles …»
    «Mit dir und Élise läuft’s nicht so gut?»
    «Ach doch. Das heißt, mit der Zeit … es ist ja nicht immer so einfach.»
    «Also, das ist uns erspart geblieben. Das ist wie ein Wunder …»
    Er beugte sich ganz nah zu meinem Ohr vor und sagte leise:
    «Das ist Wahnsinn … letzte Nacht haben wir es dreimal getrieben. Kannst du dir das vorstellen? Wir sind seit zwanzig Jahren zusammen und machen es immer noch.»
    «Ja, hört sich schön an …»
    «Aber bei euch muss es doch auch wieder besser laufen, seitdem die Kinder weg sind, oder?»
    Das war eine komische Bemerkung. Als ob der Auszug der Kinder einem zweiten erotischen Frühling den Boden bereiten würde. Nein, die Tatsache, dass die Kinder von zu Hause ausgezogen waren, hatte nichts verändert. Es war seitdem sogar eher schlechter geworden. Die Gründe lagen wohl in dem Zusammentreffen zweier Umstände, die Élise und mich gleichermaßen verunsicherten: Beide Kinder waren nämlich gleichzeitig ausgezogen. Anfang Herbst hatte Alice verkündet, dass sie mit Michel, ihrem Verlobten, zusammenziehen würde. Michel war zwölf Jahre älter als sie, und ich kannte ihn kaum. Sie hatten sich zwei oder drei Monate zuvor kennengelernt, und was anfangs nach einer flüchtigen Leidenschaft ausgesehen hatte, nahm rasch die Form einer festen Beziehung an. Alice war sauer auf mich, glaube ich, weil ich auf die Nachricht von ihrem Glück so kühl reagiert hatte. Außerdem hatte ich sie trotz meinermüden Versprechungen noch immer nicht in ihrer neuen Wohnung besucht. Aber es ging über meine Kräfte, sie zu besuchen. Alles war so plötzlich geschehen, so überstürzt. Eine Tochter konnte ihren Vater doch nicht einfach so verlassen. Da musste man schrittweise vorgehen, mit Überlegung.
    Ein Unglück kommt selten allein, und so teilte mein Sohn uns mit, dass er in die Vereinigten Staaten aufbrechen würde, um dort weiterzustudieren. Ein ganzes Jahr New York. Dank seiner brillanten Leistungen hatte er ein Stipendium erhalten, wobei er uns gegenüber überhaupt gar nicht erwähnt hatte, dass er sich darum beworben hatte. Jeder Vater wäre angesichts einer solch sensationellen Karriere aus dem Häuschen gewesen, doch in diesem Fall war das schlichtweg zu viel auf einmal. Und nicht nur für mich. Meine Frau stand genauso unter Schock. Quasi von einem Tag auf den anderen saßen wir zwei allein da. Mein Sohn war noch nicht einmal achtzehn. Zwei Jahre zuvor war er erst fünfzehn gewesen; und weitere drei Jahre davor gerade einmal zwölf. Ich konnte die Zahlen drehen und wenden, wie ich wollte, nichts hielt diese rasante Entwicklung auf. Nein, der Abschied der Kinder war für unsere Liebe kein Neubeginn. Es war ein Neubeginn unseres Lebens, ein radikaler Umbruch, auf den wir schlecht vorbereitet waren und der uns weniger freudig erregte als erschreckte.
    Édouard spürte, dass er ein heikles Thema angeschnitten hatte, und ging daher lieber zu etwas anderem über: zu meinem Rücken. Ich überlegte einen Moment, ob ich die Geschichte besser für mich behalten sollte. Aber ich musste mich wenigstens einer Person anvertrauen. War das nicht auch der eigentliche Grund meines Kommens gewesen? Ich erzählte ihm alles: von der merkwürdigen und seltsam langen Röntgenuntersuchung bis zur Anordnung der Kernspintomographie.
    «Kernspintomographie? Echt?»
    «Das ist komisch, oder?»
    «Nein … sie wollen es bloß genau wissen … sonst nichts …»
    «Glaubst du, ich hab was Schlimmes?»
    «Keine Ahnung, ich hab deine Röntgenbilder nicht gesehen. Aber keine Panik, das ist eine Untersuchung, die

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