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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Ich fürchte, das wird jetzt Stunden dauern, bis wir das Gerät wieder zum Laufen bringen.»
    «Aha …»
    «Der Tisch steckt leider auch fest. Können Sie versuchen, zu mir her zu robben?»
    «Robben?»
    «Ja, Sie müssen aus der Röhre raus. Mir tut das echt leid. Versuchen Sie, auf dem Rücken zu robben. Ich hoffe, das bereitet Ihnen keine allzu großen Schmerzen.»
    Es war nicht so schwierig. Mein Rücken setzte mir in der Position gar nicht so übermäßig zu. Mir wurde vielmehr schwindlig. Durch die Rotation der Röhre hatte ich mein Raum- und Zeitgefühl verloren. Erfolgreich aus der Röhre gekrochen, wollte ich aufstehen, doch meine Beine versagten. Ich klammerte mich am Arzt fest, um nicht umzufallen.
    «Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?»
    «Nein, geht schon. Danke. Haben Sie etwas sehen können?»
    «Bitte?»
    «Haben Sie sehen können, ob mit meinem Rücken irgendetwas nicht in Ordnung ist?»
    «Nein, leider nicht. Die ersten Minuten liefern keine genaueren Aufschlüsse. Die Magnetresonanztomographie ist eine umfassende Untersuchung, anhand eines winzigen Bruchteils der Beobachtungen kann ich mir kein Urteil bilden.»
    «Ah … nicht die geringste Vermutung?»
    «… Äh … nein», antwortete er nach kurzem Zögern.
    «…»
    «Tut mir leid. Wir müssen den Termin verschieben.»
    «…»
    «Außer Sie gehen heute noch in ein anderes Krankenhaus.»
    «Heute? … Ich weiß nicht. Das müssen Sie mir sagen. Das kommt darauf an … wie dringend es ist.»
    «Ich sag das nur, weil Sie sich ja solche Sorgen machen. Das wäre eine Möglichkeit, wenn Sie nicht warten wollen. Dann wissen Sie es gleich.»
    «Ja … aber ich hätte gern Ihren Rat.»
    «Aus rein medizinischer Sicht kann das bis morgen warten.»
    «Was würden Sie an meiner Stelle machen?»
    «Ich bin nicht an Ihrer Stelle.»
    «Ich weiß. Aber was würden Sie machen?»
    «Ich würde bis morgen warten …»
    Im ersten Moment beruhigte mich diese Antwort. Aber dann kam ich ins Grübeln: Hätte er mir empfohlen, schnell zu handeln, hätte er mich ganz klar in Panikstimmung versetzt, was nicht sehr konstruktiv gewesen wäre. Der Rat, die Untersuchung auf morgen zu verschieben, war keineswegs in die Kategorie gute Nachrichten einzuordnen. Ich musste eben warten. Ein Systemfehler, das konnte auch nur mir passieren. Anscheinend machte ich eine schwierige Phase durch, überall lauerten Tücken, als wollte mich das Schicksal auf die Probe stellen. Ich ließ mir einen Terminfür den nächsten Morgen geben und schlich unverrichteter Dinge davon.
    Beim Gehen merkte ich, dass ich dem Arzt eine falsche Auskunft gegeben hatte – nun bereitete das Gehen mir nämlich doch Probleme. Ich verstand, warum mein Kopf so durcheinander war. Wenn so heftige Schmerzen mehrere Tage andauern, verfällt man in einen dem Wahnsinn ähnlichen Zustand. Ich sah mich einem Zerrbild von Paris gegenüber, alles war irgendwie asymmetrisch gebaut. Der Verkehr rauschte vorüber, und ich hätte mich am liebsten vor eines dieser Autos geworfen, um mein Leiden ein wenig abzukürzen. Manchmal erscheint einem der Tod wie der einzig gebührende Ausweg. Minutenlang stand ich reglos da, doch dann kaufte ich mir eine Flasche Wasser und schluckte zwei Schmerztabletten. Ich machte ein paar schwerfällige Schritte. Mein Zustand verschlechterte sich zusehends. Ich hätte zu dem von Édouard empfohlenen Osteopathen gehen können, aber was hätte das gebracht? Ich hatte nicht den Eindruck, dass meine Schmerzen mit irgendeiner Verrenkung, Muskelverhärtung oder einem eingeklemmten Nerv zusammenhingen. Diese Einschätzung beruhte auf der Tatsache, dass alles schlagartig, ankündigungslos und rational unerklärbar begonnen hatte.
    Die Tabletten schlugen zum Glück gut an. Vielleicht war das ja der Placebo-Effekt. So fasste ich jedenfalls einen seltsamen Entschluss: Ich ging zur Arbeit.

20
    Intensität der Schmerzen: 7

Gemütslage: in Wartestellung

21
    Auf den Gängen beäugte man mich wie ein exotisches Tier. Alle waren wohl darüber im Bilde, was während der Besprechung mit den Japanern gelaufen war. Da ich über Jahre hinweg redliche Beziehungen zu meinen Kollegen unterhalten hatte, durfte ich in manchen Blicken nun einen Anflug von Mitgefühl lesen. Vielleicht hatte sie der Vorfall auch von einem Druck befreit? Das kann ja jedem mal passieren, dass er einen Fehler begeht. Und einige freuten sich bestimmt, dass dieses Missgeschick nun mir unterlaufen war. Glücksstreben kann so kleinkariert sein,

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